Ab dem 23.11. kam täglich jemand vom SAPV vorbei. Einmal pro Woche ein Arzt, täglich eine Fachkraft (eine Schwester). Dabei gab es nie feste Zeiten, denn der Umgang mit Todkranken und Sterbenden läßt sich zeitlich nicht exakt planen. Auf die wenigen Termine, die ich nicht beeinflussen konnte, haben die Teammitglieder aber wunderbar Rücksicht genommen und meine Mutter an meinem Unterrichtstag sogar mehrfach besucht.
Ich habe meine Mutter mit den Menschen vom SAPV-Team immer allein gelassen, damit sie (soweit sie das wollte) auch Themen ansprechen konnte, die nicht für meine Ohren bestimmt waren. Ich wollte ihre Privatsphäre wahren, meiner Mutter war das interessanterweise gar nicht wichtig. Zur Begrüßung, zur Besprechung der weiteren Vorgehensweise (Antrag der Pflegestufe, Dosierung der Morphintropfen) und zur Verabschiedung war ich aber immer da.
Von Tag zu Tag wurde die Lage schwieriger. Die Atemnot nahm zu, meine Mutter konnte am Abend vor lauter Atemnot im Liegen (trotz hochgestelltem Kopfteil) kaum einschlafen und gelegentlich war sie auch unruhig. In ein oder zwei Nächten hatte wir schwierige Momente, weil sie wach lag, verzweifelt nach Luft schnappte, sie aber gleichzeitig nicht wollte, daß ich die Notfallnummer anrufe oder (wie vom Mediziner ausdrücklich erwähnt) die Morphindosis erhöhe . Es war schwierig. Ich habe ihr die erlaubte Notfalldosis dann „heimlich“ gegeben – also behauptet, dies sei die normale Dosis und tatsächlich war es die (erlaubte) leicht höhere Dosis.
Einschlafen wurde mehr und mehr zu einem schwierigen Thema, aber auch beim Waschen und Anziehen, bei Toilettengängen, beim Aufstehen vom Sessel und beim Treppensteigen brauchte meine Mutter nach und nach immer mehr Unterstützung. Wirklich verzweifelt war ich an dem Nachmittag, als meine Mutter zur Toilette mußte und ich sie – trotz aller Anstrengung – nicht einmal aus dem Sessel hochbekam. In meiner Verzweiflung habe ich meinen Schreibtischstuhl mit Rollen aus dem Büro ins Wohnzimmer geschleppt und sie mit dem Bürostuhl zur Toilette gerollt….. Es war der Zeitpunkt als das Team und ich über ein Pflegebett und einen Toilettenstuhl im Wohnzimmer sprachen. Natürlich wollte meine Mutter das nicht. Also haben der Arzt und ich gemeinsam mit ihr gesprochen, um ihr die Notwendigkeit dieser Hilfsmittel zu erläutern. Schließlich stimmte sie zu und ich war den nächsten Tag mit zig Telefonaten beschäftigt, um die Lieferung von Pflegebett und Toilettenstuhl (ein Anbieter) und Matratze für das Pflegebett (wegen der Krankenkasse ein anderer Anbieter) zu koordinieren. Man kann sich nicht vorstellen, wie nervig und zeitaufwändig solche Telefonate sein können – auch wenn ich das für meine Mutter gerne gemacht habe. Es waren die wenigen Dinge, die ich noch für sie machen konnte…..