R: „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ von Franz Werfel

Die zweite Märzaufgabe der Booklover-Challenge war „Lies ein Buch, bei dem es um einen Kampf geht“.
Eher zufällig habe ich im Februar ein Buch gefunden, in dem es tatsächlich um einen Kampf ging und das für diese Aufgabe perfekt paßte. Ich habe es vor einigen Tagen schon zuende gelesen. Fast jeden Tag ein paar Seiten, weil es manchmal gar nicht möglich war, so viel auf einmal zu lesen.

Franz Werfel ist Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts mit seiner Frau Alma Mahler in den Nahen Osten gereist. Auf dieser Reise (wohl in Syrien) begegneten ihm Überlebende des Völkermords und wohl auch der Geschehnisse auf dem Musa Dagh. Er erfuhr dadurch von der Verfolgung der Armenier und eben auch von der Geschichte der Ereignisse auf dem Musa Dagh (die in Wahrheit nicht 40 sondern 53 Tage dauerte). Zurück in Wien ließ er sich die Akten aus dieser Zeit kommen, recherchierte umfangreich und schrieb dann den Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“. Der Roman erschien 1933, wurde jedoch schon im Februar 1934 in Deutschland verboten, in der Türkei im Januar 1935.

Handlung: Der Armenier Gabriel Bagradian lebt schon länger in Frankreich. Er hat dort studiert und eine französische Frau geheiratet, gemeinsam haben sie einen Sohn – Stephan. Mit seinem armenischen Heimatort Yogonoluk verbindet ihn erst einmal wenig. Als sein älterer Bruder stirbt, reist er mit seiner Familie dennoch nach Hause. Es ist eine unruhige Zeit. Während Bagradian und seine Familie sich vor Ort ein bißchen einleben, wird die Situation langsam „brenzlig“, gleichzeitig bemüht sich der Protestant Johannes Lepsius (den es wirklich gab!) in Istanbul politisch um die Rettung der Armenier. Zu dieser Zeit geschehen allerdings schon zwei Dinge – die Verschleppung der intellektuellen Armenier aus Istanbul und die Vertreibung der armenischen Menschen aus der Stadt Zeitun. Einer der Vertriebenen kommt mit seiner Familie nach Yogonoluk zurück, wo er geboren wurde und sein Vater noch lebt. Er ist damit nicht in Sicherheit, denn auch hier droht die Vertreibung. Gabriel Bagradian, der militärische Erfahrungen in der osmanischen Armee gesammelt hat, entwirft jedoch einen Plan. Die circa 4500 armenischen Einwohner ziehen auf den Berg Musa Dagh und versuchen, dort zu überleben. Gemeinsam mit einigen anderen wichtigen Menschen aus den Dörfern organisiert Bagradian das Leben auf dem Berg und die Verteidigung. Nach 40 langen und auch harten Tagen werden sie von französischen Schiffen gerettet.

Es war kein leichtes Buch und kein vergnügtes Lesen. Aber ich habe das Buch mit großer Begeisterung und Anteilnahme gelesen. Die Tatsache, dass diese Geschichte – wenn auch nicht mit den konkreten Personen – tatsächlich passiert ist, hat mein Interesse an dem Buch sicher stark beeinflußt. An manchen Stellen habe ich das Buch, weil es zu traurig und natürlich in einem gewissen Sinne hoffnungslos war, auch mal zur Seite gelegt, an manchen Stellen ein anderes (fröhlicheres) Buch genommen, aber ich habe immer aus eigenem Antrieb weitergelesen. Weil ich es so wichtig fand dieses Buch zu lesen und weil ich soviele der Gedanken, der Gespräche und auch der Schwierigkeiten nachvollziehen konnte. Was ich vor allem sehr interessant fand – die Schilderung der Prozesse in der Gesellschaft auf dem Berg. Also die Art der Kommunikation, aber auch der Umgang mit dem Thema Solidarität (oder eben fehlender Solidarität), die Schwächung aller durch die Schwächen und Angriffe einzelner Menschen. Einfach die ganzen alltäglichen Schwierigkeiten, wenn man zig Menschen zu ihrem eigenen Vorteil und Überleben irgendwie unter einen Hut bekommen muß. Die Schilderung der Schwächen ist manchmal schonungslos, auch bei den Hauptpersonen. Aber gerade das machte für mich das Lesen noch einmal besonders wertvoll.

Ein Buch, in dem es um einen Kampf und um das Überleben geht, ist nie wirklich einfach zu lesen. Was es mir tatsächlich leichter gemacht hat war das Gefühl, dass es hier um einen „guten“ Kampf ging, darum dass die armenischen Menschen aus den Dörfern nicht sterben. Gleichzeitig fand ich es faszinierend, dass es diese Geschichte mit einem „guten Ende“ (also gut im Sinne von Überleben) tatsächlich gab. Spannend fand ich es auch, in dem Zusammenhang mehr über die konkrete Geschichte und auch über die einzelnen Personen zu lesen. Das werde ich hoffentlich noch in Ruhe vertiefen können.

Links zum Hintergrund:
Die vierzig Tage des Musa Dagh
Johannes Lepsius
Moses Der Kalousdian
Vortrag zur Entstehung des Romans
https://www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/genozid-an-den-armeniern/218058/aghet-der-voelkermord-an-den-armeniern/
https://www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/genozid-an-den-armeniern/224092/der-voelkermord-an-den-armeniern-1915-16-in-deutschen-akten/
https://www.deutschlandfunk.de/massenmord-an-tuerkischen-armeniern-1915-keine-100.html
https://taz.de/Voelkermord-an-den-Armeniern/!5122291/
– Projekt Houshamadyan

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