Neue Briefe…..

Heute Morgen bin ich bei LinkedIn über einen Beitrag des Economist gestolpert. Verlinkt wurde im Beitrag auf diesen Artikel. Schon in der Unterzeile des Artikels standen die Worte, die mich (natürlich) magisch anzogen – „A book that caused a scandal….“. Mehr braucht es nicht, um mich neugierig zu machen. Und ja, diese „Geschichte“ passt tatsächlich zu meinem Jahresthema „Wie kommt das Neue in die Welt?“.

Im Jahr 1971 befindet sich Portugal in einer Diktatur unter Marcelo Caetano. Kurz zuvor hat die feministische Schriftstellerin, Journalistin und Aktivistin Maria Teresa Horta ein Buch veröffentlicht, in dem es (zumindest auch) um weibliche Lust geht. Kein Thema, dass das damalige portugiesische Regime begeistert. An einem Sommerabend wird sie von einem Auto verfolgt, zunächst verbal eingeschüchtert und bedroht und schließlich wohl auch so stark verletzt, dass sie in einem Krankenhaus landet. Damit wollte man sie von weiteren unerwünschten Veröffentlichungen abhalten. Doch als sie ein paar Tage später ihren Kolleginnen und Freundinnen Maria Isabel Barreno und Maria Velho da Costa davon erzählt, passiert etwas ganz anderes. Die drei Marias (so werden sie tatsächlich bezeichnet) beschließen (so der Artikel), gemeinsam ein Buch zu schreiben. Und was für ein Buch!

Die drei Schriftstellerinnen erschaffen gemeinsam das Buch mit dem Titel „Neue portugiesische Briefe“ (Novas cartas portuguesas). Aber – wo es „neue Briefe“ gibt, muß es irgendwann auch „alte Briefe“ gegeben haben. Diese „alten Briefe“ sind für diese Geschichte und das Buch und das, was an diesem Buch neu ist, von großer Bedeutung. In der Zeit ab 1663 bis 1668 gab es – so die Einleitung des Buches mit den „alten Briefen“ – in jedem Sommer „Kriegshandlungen“ (wohl zwischen Spanien und Frankreich), die räumlich auch Portugal betrafen. 1668 erlangte Portugal seine Unabhängigkeit. Im Jahr 1669 erschienen die sogenannten „Portugiesischen Briefe“ (Lettres portugaises) in Paris. Es sollte sich dabei um eine französische Übersetzung von fünf Briefen einer portugiesischen Nonne an einen französischen Offizier handeln. Es wurde damals heftig darüber gestritten, ob die Briefe echt waren oder es sich um einen Briefroman handelte. Man ging zunächst eher davon aus, dass die Nonne Mariana Alcoforado diese Briefe geschrieben hat. Es gab aber keine portugiesischsprachige Fassung dieser Briefe. Gabriel der Guilleragues bezeichnete sich zunächst als Übersetzer und gab an, die originalen Briefe verloren zu haben. Mittlerweile ist sich die Forschung einig, dass er den ersten Briefroman der französischen Literatur geschrieben hat.

Etwas Neues – die neue Gattung „Briefroman„. Die „Portugiesischen Briefe“ waren mir bis heute Vormittag unbekannt. Mittlerweile habe ich mir die französischsprachige Fassung als Ebook heruntergeladen, wer eine deutschsprachige Fassung sucht, wird beim Projekt Gutenberg fündig (Übersetzung von Rilke). Bei der Suche nach dem Begriff „Briefroman“ bin ich dann auf den wohl sehr spannenden (und bösen) Briefroman „Loveletters between a Nobleman and his Sister“ von Aphra Behn gestoßen. 1683 wurde dieser Roman veröffentlich – ob Aphra Behn die „Lettres portugaises“ kannte? Und ja, auch den Roman habe ich zwischenzeitlich heruntergeladen (englischsprachige Version unter anderem hier) – wobei Aphra Behn noch weitere spannende Werke geschrieben hat….

Von der frühen Feministin Aphra Behn, die ich über den Briefroman gefunden habe, zurück nach Portugal zu den „Neuen Portugiesischen Briefen“. Die drei portugiesischen Schriftstellerinnen nehmen die berühmten portugiesischen Briefe als gedanklichen Ausgangspunkt. Sie brechen bewußt mit literarischen Traditionen. Ihr Text ist kein „Roman“ im klassischen Sinne, auch kein Briefroman. Das Buch vereint Briefe und andere Texte aus der Gegenwart der Autorinnen mit Briefen und Texten aus der Zeit der Mariana Alcoforado und von fiktiven Menschen (auch Männern) aus der Zeit der „portugiesischen Briefe“. Thematisch geht es um viele Aspekte – um die Situation der Frau, Gewalt in der Gesellschaft, das Rechtssystem und Kolonialkrieg. Mehrere Verlage weigerten sich, das Buch herauszubringen. Als es dann endlich mit einer Auflage von 1380 Stück auf den Markt kam, wurde es nach drei Wochen (und bereits 1200 verkauften Exemplaren) konfisziert. Die Autorinnen wurden (zumindest zeitweilig) verhaftet und ein Prozeß folgte (von 1973 bis 1974). Erst die politischen Veränderungen in Portugal (Nelkenrevolution) haben dazu geführt, dass dieser Prozeß zugunsten der Autorinnen ausging. Die Geschichte der Veröffentlichung, mehr zum Inhalt und zu den Autorinnen kann man gut in diesem ausführlichen deutschsprachigen Dokument nachlesen.

Für das Neue braucht man oft Mut. Gleichzeitig sind alle drei Beispiele – die „Portugiesischen Briefe“, der Briefroman von Aphra Behn und die „Neuen portugiesischen Briefe“ wunderbare Beispiele für die Kraft, die „das Neue“ entwickeln kann.

In diesem Sinne wünsche ich Euch und Ihnen gute Ideen, den Mut, diese Ideen umzusetzen und Menschen, die sich für diese Ideen, Werke und Ergebnisse begeistern und sie teilen (so wie ich das auch gerade tue).

Sammeln…..

In Gedanken habe ich x-mal einen neuen Beitrag zu meinem Jahresthema geschrieben. Dummerweise halt nur in Gedanken…..

Zunächst habe ich ein paar Begriffe gesammelt, die irgendwie mit dem Thema „neu“ zu tun haben.
– Neugier
– Erneuerung
Novelle (kurzer Prosatext) vom lateinischen „novus“ bzw. italienischen „novella“
– Neuanfang
– Neubau
– Neuheit
– neuartig
– Neuankömmling
– Neuland
– Neue Medien
– neudeutsch
– Neuzeit
– Neuerscheinung
– Neuauflage
– Neuigkeit im Sinne von neue Nachricht
– News (Nachrichten) vom englisch „new“

Keine vollständige Liste – wozu auch? Mit manchen dieser Begriffe verbinde ich etwas, mit manchen eher nicht. Alle sind sie einen Blick wert. Aber mein Nichtschreiben der letzten Wochen hängt stark mit den letzten beiden Punkten zusammen. Die Nachrichten der letzten Wochen waren in mancher Hinsicht schwierig, es paßte für mich einfach nicht zu diesem Zeitpunkt einen „leichten“ Beitrag über das Neue zu schreiben. Ich habe vor allem die Nachrichten um das Erdbeben in der Türkei und in Syrien verfolgt, aber natürlich auch zum Krieg in der Ukraine. Ich mußte mich nach all diesen Nachrichten erst einmal „sammeln“. Insofern mag ich die Doppeldeutigkeit von sammeln – etwas sammeln, zum Beispiel Begriffe oder Daten oder sich sammeln, also sich erholen oder sich regenerieren.

Zu den Nachrichten rund um das Erdbeben paßt – mit etwas zeitlichem Abstand – auch der Begriff des Sammelns. Im Jahr 1755 gab es in Lissabon ein großes Erdbeben, dem ein Brand und ein Tsunami folgten. Es war ein sehr schweres Unglück für die Stadt. Die Jesuiten erklärten das die „Strafe Gottes“ für die Reformen sei, der später zum Marquês de Pombal ernannte Minister begann Informationen rund um das Ereignis zu sammeln. Er bittet die Pfarrer des Landes um folgende Informationen: Dauer des Erdbebens, Anzahl der Nachbeben, Schäden, Verhalten der Tiere, Besonderheiten in Brunnen. Aus den Meldungen, die er von den Pfarrern erhält, formt sich ein bis heute erhaltenes Lagebild. Gleichzeitig ist dies der erste Schritt zur modernen Seismologie.
Gleichzeitig entwickelt er erste Gedanken zu erdbebensicheren Gebäuden – große freie Plätze und Häuser, die aufgrund ihrer Bauweise ….. den Schwankungen eines Bebens besser standhalten.
Über das Erdbeben von Lissabon habe ich zuerst in dem – sehenswerten – Terra-X-Beitrag Wilder Planet – Gefahr für Lissabon etwas gelernt.

Das Erdbeben in Lissabon ist gleichzeitig das erste große europäische Medienereignis (wahrlich eine Neuheit!) und (zumindest in Europa) der Beginn der Seismologie. Gleichzeitig ist die Zeit ab circa 1750 eine große Zeit des Sammelns. Von 1751 bis 1780 erscheint die berühmte Enzyklopädie unter ihren Herausgebern Denis Diderot und Jean Baptiste le Rond d’Alembert. Sie soll das gesamte Wissen der Zeit sammeln (!) und der Welt zugänglich machen.
Heute profitieren wir von diesen Sammlungen – nicht nur von dem Gedanken der Enzyklopedie, den wir heute zum Beispiel beim Projekt „Wikipedia“ wiederfinden, aber auch bei der Möglichkeit online nach Informationen zu suchen.

Und heute? Ich muß heute kein Wissen mehr sammeln – es ist allzeit online (und oft auch offline) verfügbar. Trotzdem ist das Sammeln gerade im Hinblick auf das „Neue“ nicht sinnlos. Wie oft stolpere ich über ein Thema, einen Buchtitel oder einen Denkansatz, den ich gerne weiter verfolgen möchte und dann doch wieder vergesse…. Ich habe mir mittlerweile angewöhnt, einen Teil dieser „Dinge“ zu sammeln – interessante Querverweise aus Büchern, Links zu interessanten Themen, die mir online begegnen (Abspeichern der entsprechenden Webseiten oder Emails an mich). Aber es geht natürlich noch besser! Nele Heise hat Anfang des Jahres ihr „Ideentagebuch“ auf ihrem Blog vorgestellt. Der Begriff der „Idee“ paßt für mich nicht unbedingt, aber Gedanken oder Anregungen zu sammeln – aus denen ich dann später etwas machen kann – das finde ich sehr interessant. Das werde ich dementsprechend ein bißchen konkreter angehen, um aus dieser Gedankensammlung dann konkret etwas Neues entwickeln zu können.

Mal sehen, was sich im Laufe des Jahres daraus ergibt.
Wie halten Sie/haltet Ihr es? Sammeln ja oder nein – und wenn ja, wie? Man merkt, ich bin neugierig!

P.S.: was ich beim Schreiben dieses Beitrags tatsächlich gesammelt habe ist eine (aus meiner Sicht spannende) Linkliste zum Thema „Erdbeben in Lissabon“……..

Über Hürden…..

Wo um Himmels willen war ich beim letzten Beitrag gedanklich stehengeblieben? Es ist schon einige Tage her und genau das ist der Grund, warum ich mich heute mit „Hürden“ beschäftigen möchte.
Denn es klingt viel einfacher, etwas anders oder etwas Anderes oder Neues zu machen, als es ist.

Hürde Nr. 1: Anfangen
Die allererste Hürde ist natürlich, überhaupt anzufangen. Wie oft im Laufe eines Jahres denkt man „ich könnte mal“ oder „ich sollte mal“, ohne dass daraus etwas folgt. Wenn man etwas anders machen möchte, dann muß halt irgendwann mit irgendetwas anfangen. Mit dem ersten Schritt, dem ersten Versuch, dem ersten konkreten Festhalten eines Vorhabens. Dieses „Anfangen“ muß in keiner Weise toll oder bemerkenswert sein – es ist einfach der allererste Schritt. Und ja, es fühlt sich gut an, wenn man den allersten Schritt gemacht hat (einen Blogbeitrag geschrieben, einen Gedanken oder eine Idee aufgeschrieben, eine Vokabel in einer neuen Fremdsprache gelernt, ein neues Buch zum Thema gelesen – was auch immer).

Hürde Nr. 2: Weitermachen
Gelegentlich kann es passieren, dass man mit großer Motivation beginnt, sich ein großes Ziel setzt und dann irgendwann nicht weitermacht. Es kann für das Nichtweitermachen sehr viele unterschiedliche Gründe geben – ein zu ambitioniertes Ziel, zu wenig Zeit, persönliche Herausforderungen, die einfach mit mit dem Ziel nicht unter einen Hut gebracht werden können. Und natürlich sind „alte Gewohnheiten“ ein gefährlicher Gegner. Wenn man 21 Tage lang etwas anders (oder neu) gemacht hat, dann soll daraus eine Gewohnheit entstehen. Ich habe dieses 21-Tage-Prinzip im letzten Jahr „entdeckt“, als ich meinen Blogbeitrag über die 21 geschrieben habe. Ich bin bei dieser Zahl ehrlich gesagt skeptisch. Nach 21 Tagen war ich letztes Jahr noch nicht so weit, das abendliche Blogbeitragsschreiben als „Gewohnheit“ zu empfinden. Aber es stimmt auf jeden Fall – je länger man durchhält, etwas zu machen oder auch nicht zu machen, desto größer die Chance, dass man eine Gewohnheit entwickelt.
Für das Spannungsfeld zwischen Anfangen und Weitermachen fand ich einen LinkedIn Beitrag von Dr. Nora Gold sehr spannend und hilfreich. Wenn mein Ziel für dieses Jahr zum Beispiel ist, mehr zu lesen – dann reicht es, wenn ich mir vornehme jeden Tag eine Seite zu lesen (ok, bei mir würde das nicht reichen, sondern zu sehr viel weniger führen….). Aber das Beispiel, einfach mit „ein bißchen mehr“ oder „ein bißchen weniger“ zu starten und das tatsächlich durchzuhalten, ist gut. Es funktioniert auch bei Vorhaben wie „weniger Twitter“ – wenn ich dem Impuls, neugierig in die Timeline zu schauen, jeden Tag einmal widerstehe, dann wird meine Twitternutzung tatsächlich weniger.

Hürde Nr. 3: Durchhalten
Zum Durchhalten gehört der gedankliche Umgang mit dem „Aufgeben“ oder „Scheitern“.
Ich habe das im letzten Jahr gemerkt. Mein Projekt an 365 Tagen jeweils einen Beitrag zu einer Zahl zu schreiben war – wenn man es von vornherein auf das ganze Jahr bezieht – sehr gewagt. Ich habe mir sehr bewußt erlaubt (und das auch immer wieder in den Blogbeiträgen geschrieben), dass ich das Projekt vielleicht nicht bis zum Jahresende durchhalte. Ich habe mir also das Scheitern erlaubt und ich war oft versucht, einfach nicht weiterzumachen. Und irgendwie habe ich mich doch jeden Abend (eine dumme Gewohnheit – ich schreibe die meisten Blogbeiträge am Abend…….) aufraffen können und etwas geschrieben. Dass ich vieles an anderen Tagen vorbereiten konnte (überlegen was paßt, Gedanken und Links in einem Cryptpad sammeln, einen ersten Entwurf schreiben) hat mir an manchen Abenden sehr geholfen.
Interessanterweise habe ich am 2. Januar gemerkt, dass mir das tägliche abendliche Schreiben – Stichwort Gewohnheit – fehlt. Aber es war gut, das Projekt zu diesem Zeitpunkt tatsächlich zu beenden. Und es fühlte sich ehrlich gesagt sehr sehr gut an, durchgehalten zu haben!

Welche Hürden kennt Ihr/kennen Sie und wie geht Ihr/gehen Sie damit um?

Damit wünsche ich Euch und Ihnen ein freudiges und mit möglichst wenig schwierigen Hürden versehenes Verfolgen neuer Gedanken, Ideen und Vorhaben.

Doris Langley Moore: A Game of Snakes and Ladders

Dieses Buch habe ich am 26. Januar ernsthaft angefangen zu lesen und am 29. Januar hatte ich es schon durchgelesen – ganz klar, ich mochte (und mag) es sehr. Ich habe es zunächst einfach nur gelesen, weil ich die Vorschläge des Twitter-Accounts Neglected Books immer sehr spannend finde und es dazu am 31. Januar sogar eine Livediskussion geben sollte (die leider abgesagt wurde). Interessanterweise spricht das Buch mehrere Themen an, die mich in den letzten Jahren auch immer wieder beschäftigt haben – deswegen schreibe ich ein paar Zeilen zu diesem Buch.

Bis zum Lesen dieses Buchs war mir das „Leiterspiel“ (in der englischen Sprache „Snakes and Ladders“) völlig unbekannt. In der Zwischenzeit habe ich es einmal online gegen einen Computer gespielt (und erstaunlicherweise gewonnen). Das Spiel hat viel mit Glück oder Unglück zu tun und genau das paßt auch sehr gut zu der Geschichte von Langley Moore. Lucy und Daisy sind im Prinzip die wichtigsten Personen der Geschichte. Lucy und später auch Daisy arbeiten beide für eine Theatergesellschaft, die mit wenigen Stücken von England aus eine Welttournee durchführt – mit Auftritten in Australien, Asien und schließlich Anfang 1919 in Ägypten. Die Stücke sind in Ägypten nicht so sonderlich erfolgreich und die Tour endet dort. Lucy möchte zurück nach England, Daisy möchte bei ihrer neuen Eroberung, dem Geschäftsführer eines Theaters, Siegfried Mosenthal bleiben. Dummerweise wird Lucy schwer krank. Daisy kümmert sich zunächst um sie, doch nach und nach werden ihre eigenen Interessen (nicht allein in Ägypten zu bleiben) größer und sie nimmt großen Einfluß auf das Leben ihrer „Freundin“ Lucy. Lucy bleibt glücklos. Die einzelnen Ereignisse will ich hier gar nicht erzählen. Aber während Lucy immer mehr verarmt, vereinsamt und absteigt, achtet Daisy immer mehr auf sich, ihr Äußeres und ihre Stellung. Kann man in dieser Konstellation überhaupt noch von Freundschaft reden?

Für mich war das Buch vor allem eine Geschichte über eine vermeintliche Freundschaft, die unter der Behauptung des „ich meine es ja nur gut mit Dir“ und „ich weiß besser, was für Dich gut ist“ dem anderen Menschen tatsächlich Schaden zufügt. Es ist für mich erstaunlich, dass Lucy nie aufgibt. Immer irgendwie weitermacht, obwohl sie immer einsamer wird. Und ja, sie wird vom Schicksal belohnt. Für Lucy hat mich das gefreut – realistisch fand ich das Happy End allerdings nicht unbedingt….. (das ist auch der einzige Kritikpunkt). Die Figuren von Lucy und Daisy fand ich sehr faszinierend – gerade in ihrer großen Unterschiedlichkeit, mit Themen und Menschen umzugehen.

Es gab mehrere Stellen im Buch, die mich persönlich sehr angesprochen (vielleicht sollte ich besser sagen „getroffen“) haben – besonders jedoch folgende Stelle: Im 12. Kapitel besucht Lucy ein Café und berichtet von einem dort auftretenden Sänger. In diesem Zusammenhang sagt sie etwas über den Sänger, das mich sehr berührt und für mich sehr passt: „He had become the symbol of yearning loneliness, the visible representative of all the unbeautiful, unwanted members of the human race.“ Selten haben Worte so gut zu meinem Leben gepaßt wie „unbeautiful, unwanted“. Der Text geht weiter mit „Here he was, vainly, absurdly, endeavouring to console himself, to hide the bitter wounds that would never, never be healed.“ Ja, aus vollem Herzen ja!

Was an dem Buch auch schön war: ein kurzer Einblick in eine sehr internationale Zeit – die vielen Menschen, die ab 1919 in Kairo und Alexandria waren, die vielen Sprachen, die gesprochen wurden – das alles ist ein Reichtum, der vermutlich so dort nicht mehr existiert. Während des Lesens wäre ich gerne dort gewesen – die Schilderungen (auch der wenigen Ausflüge) waren faszinierend.

Alexander Dumas: Les trois mousquetaires

Eigentlich wollte ich Anfang Januar endlich das Buch „El Club Dumas“ (Der Club Dumas) von Arturo Pérez-Reverte lesen. Eigentlich…. Aber schon auf den ersten Seiten wurde mir klar, dass ich die Anspielungen in diesem Buch auf die Musketier-Romane von Dumas nicht verstehen kann, ohne vorher die drei Musketiere zu lesen.

Bei den Muketieren dachte ich vor allem an die vielen Mantel-und-Degen-Filme, die es gibt und die (in meiner Erinnerung) in meiner Kindheit und Jugend oft an Sonn- und Feiertagen im Fernsehen gezeigt wurden. Meine Erwartungen waren ehrlicherweise nicht besonders hoch. Ein großer Fehler….

Im Prinzip hat Dumas drei Romane über die Musketiere geschrieben – Les trois mousquetaires (Die drei Musketiere), Vingt ans après (Zwanzig Jahre später) und Le Vicomte de Bragelonne (Zehn Jahre später/Der Mann in der eisernen Maske). Den ersten Roman habe ich gestern fertig gelesen, den zweiten habe ich begonnen….

Im ersten Roman macht sich der junge Gascogner D’Artagnan auf den Weg nach Paris, um dort im militärischen Bereich „Karriere“ zu machen. Interessant ist dabei, dass D’Artagnan nicht nur eine Hauptfigur des Romans ist, sondern tatsächlich gelebt hat. Dumas selbst erwähnt das im Vorwort und nein, das ist keine Finte. Ich habe (weil ich ziemlich neugierig bin) danach gesucht. Es gibt tatsächlich ein Buch von Gatien Courtilz de Sandras mit den Memoiren von D’Artagnan, es gibt auch weitere Unterlagen und Informationen – die ich eher zufällig in der ARTE-Doku (noch bis zum 07.02.2023) über D’Artagnan mitbekommen habe. Aus der Forschung weiß man heute, dass er zwischen 1611 und 1615 in Lupiac zur Welt kam. 1673 starb er bei der Belagerung von Maastricht. In Lupiac gibt es heute sogar ein D’Artagnan-Museum….

Noch habe ich die Memoiren von D’Artagnan noch nicht gelesen. Ich kann daher nicht einschätzen, wie „nah“ Dumas an dieser Vorlage geblieben ist. Unabhängig davon hat mich der erste Roman aus der Musketier-Reihe ab einem bestimmten Punkt wirklich begeistert.
Am Anfang reist ein wenig begüterter junger Adeliger mit einem wohl ziemlich armselig aussehenden Pferd und einem Empfehlungsschreiben seines Vaters nach Paris. Als unterwegs jemand etwas Abfälliges über sein Pferd sagt, reagiert er sehr empfindlich und fordert denjenigen zum Kampf. Natürlich überschätzt er sich etwas…. und dummerweise ist danach der so wichtige Brief seines Vaters verschwunden. Zusätzlich zu seinem Reiseziel Paris will er nun seinen Gegner und dessen Begleiterin wiederfinden. Und ja, er wird in diesem Punkt Erfolg haben.

In Paris entdeckt er – während ich als Leserin über seine Schulter schaue – die Zeit von Richelieu, Ludwig XIII. und Anna von Österreich. Und natürlich die Musketiere, die nach ihrer (damals sehr modernen Waffe) Muskete benannt wurden. Es ist eine Zeit voller Intrigen und politischer Machtkämpfe. Es ist auch die Zeit,in der Richelieu und Ludwig XiII. die Stadt La Rochelle belagern.

Es sind mehrere Aspekte, die mir gut gefallen haben:
– Ein spannender Einblick in französische Geschichte
– Dialoge und Schilderungen voller Wortwitz
– Die wirklich wunderbare Schilderung der vier Freunde (zu D’Artagnan kommen Athos, Porthos und Aramis) und ihrer Diener in ihren sehr unterschiedlichen und sich so gut ergänzenden Stärken und Fähigkeiten
– Eine unglaublich gute Schilderung der Überlegungen und der Vorgehensweise der bösen Gegenspielerin (und ja, tolle Frauenfigur!)
– Es ist ein wunderbares Buch über Freundschaft und gleichzeitig aufgrund der Intrigen sehr spannend

Neben den oben schon erwähnten Memoiren von D’Artagnan (der von Gatien de Courtilz de Sandras verfaßten Biographie) bin ich noch auf die Memoiren der Mme de Motteville gestoßen (die eine Zeit lang am Hof von Anna von Österreich lebte) und – in Zusammenhang mit dem Duke of Buckingham – auf ein sehr interessantes Theaterstück von Thomas Middleton mit dem Titel A game at chess.

Leseliste 2023

Bewertung
*** sehr gut
** gut
* in Ordnung
kein Stern kein Kommentar

10. Myron Brinig: The flutter of an eyelid (05.03.2023) ***
Ein mir bislang völlig unbekannter Autor, der ein sehr faszinierendes Buch geschrieben hat – eine Übersetzung in die deutsche Sprache habe ich nicht entdeckt, ich habe es im Original gelesen und fand es – vor allem in der zweiten Hälfte – sehr begeisternd. Ich hoffe, dass ich die Zeit zu einem separaten Beitrag finde……

9. Oskar Maria Graf: Unruhe um einen Friedfertigen (25.02.2023) **
Manche Bücher sind gut und lasten einem doch irgendwie auf der Seele. Das Buch von Oskar Maria Graf ist so ein Buch. Gelesen habe ich es mit dem Buchclub des Staatstheaters Augsburg und das war gut so. Mehr – hoffentlich bald – in einem separaten Beitrag.

8. Federico Garcia Lorca: Bodas de sangre (19.02.2023) **
Im Wuppertaler Theater wird im Moment die Bluthochzeit von Garcia Lorca aufgeführt und vielleicht schaffe ich es ja, mir das Stück im Theater anzusehen. Daher wollte ich das Stück lesen. Es ist ziemlich bedrückend (was natürlich gut zum Titel paßt) und irgendwie von Anfang an ausweglos…..

7. Josephine Tey: The Man in the Queue (18.02.2023) **
Ich bin etwas unentschlossen, was dieses Buch angeht. Der Anfang hat mich nicht so begeistert, da empfand ich manches als „an den Haaren herbeigezogen“, ab ab einem bestimmten Punkt fand ich es dann interessant genug, um es weiter zu lesen und es wurde zum Ende hin immer besser. Besonders der nagende Zweifel, dass der vermeintliche Täter eben nicht der Täter ist, hat mich angesprochen.

6. J. M. Coetzee: The life and Times of Michael K (31.01.2023) **

5. Ari Turunen: Kann mir bitte jemand das Wasser reichen? Eine kurze Geschichte der Arroganz (30.01.2023) ***

4. Doris Langley Moore: A Game of Snakes and Ladders (29.01.2023) ***
Kurzer Blogbeitrag dazu…

3. Alexandre Dumas: Les trois mousquetaires (dt. „Die drei Musketiere) (22.01.2023) ***
Brilliant – dazu gibt es einen eigenen Blogbeitrag!

2. Ralph Knobelsdorf: Des Kummers Nacht (07.01.2023) ***
Ein „Wohlfühlbuch“ – zumindest in einem gewissen Sinne. Es ist ein Krimi, der im Jahr 1855 spielt. Die Geschichte fand ich spannend, besonders interessant fand ich aber den Einblick in die Geschichte der preußischen Polizei und die Frage, wer, wann, was, wie organisiert und aufgebaut hat. Und natürlich enthielt dieses Buch auch Verweise auf weitere Bücher – die Märchen von Gisela von Arnim und die Werke von Fanny Lewald (auch wenn sie als Person im Buch nicht gerade sehr „sympathisch“ rüberkommt).

1. Dawn King: The trials (dt. „Das Tribunal“) (04.01.2023) **
Ein Theaterstück, dass ich gelesen habe, weil ich die Aufführung in Düsseldorf besuchen wollte. Es geht um Klimawandel beziehungsweise Klimakrise. Ein wichtiges Thema, gleichzeitig ein Thema, das im Moment in mancher Diskussion schwierig ist. Als ich vor einiger Zeit zufällig mit einem Menschen, der der letzten Generation nahesteht über dieses Thema diskutiert habe, habe ich etwas provokativ auf Rousseau, den Begriff der „volonté générale“ und die in Frankreich während der französischen Revolution erfolgten Hinrichtungen („Kopf ab“) hingewiesen. Es ist gerade nicht einfach in einer Demokratie derart schwierige Themen „gut“ zu lösen. Relativ kurz nach diesem zufälligen Gespräch habe ich das Theaterstück gelesen. Das Stück spielt in einer dystopischen Zukunft. Eine Jury aus Jugendlichen urteilt in einem verlassenen Gebäude über die Elterngeneration, die die Verantwortung an dieser Situation trägt. So weit, so gut – ja, wirklich gut. Was mich verstörte (und grundsätzlich ist Verstörung erst einmal nichts Negatives) war der Ausgang der jeweiligen „Verfahren“. Ich fühlte mich doch sehr an das Gespräch über Rousseau erinnert. Ich weiß daher auch nicht, ob ich in dieses Stück wirklich gehen möchte….
Hier ist übrigens der Trailer zu diesem Stück.

Angefangen zu lesen….

Um ein Buch zu lesen, also bis zum Ende zu lesen, muß man irgendwann mit dem Lesen anfangen. Es ist eher selten, dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt nur ein einziges Buch lese. Ich habe also meistens mehrere Bücher griffbereit – neben meinem Bett, um vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen zu lesen, im Wohnzimmer, um in der freien Zeit zu lesen und natürlich auch in meiner Tasche/meinem Rucksack, wenn ich unterwegs bin. Unterschiedliche Stimmungen und Zeiten erfordern unterschiedliche Bücher. Dementsprechend ist die eigentliche Herausforderung nicht das Anfangen, sondern das Weiterlesen und oft auch das Zuendelesen. Vor allem, da ja jeder Tag wieder zur Entdeckung „neuer“ (also von mir noch nicht gelesener) Bücher führt…… Um den Lesefaden nicht völlig zu verlieren, möchte ich hier die Bücher festhalten, die ich angefangen habe zu lesen – wobei Anfangen jetzt nicht die ersten ein oder zwei Seiten meint, sondern ein Anfangen mit dem Wunsch, das Buch tatsächlich weiter zu lesen. Bücher, die ich im Laufe des Jahres zuende lese, wechseln dann von hier auf die Liste der gelesenen Bücher…. Mal sehen, wie viele es sein werden……

Februar 2023

Myron Brinig: The Flutter of an Eyelid
Wieder ein Buch aus den „neglected books“ – mal sehen wie weit ich bis morgen (da ist das Onlineevent zu diesem Buch) komme.

Donna Tartt: A secret history
Über dieses Buch hatte ich – irgendwann im letzten Herbst – etwas gelesen, was mich neugierig machte und als ich das Buch im Dezemberzufällig in einer Buchhandlung sah habe ich es natürlich gekauft. Bis jetzt finde ich es sehr interessant. Es befindet sich natürlich in harter Lesekonkurrenz mit den vielen anderen Büchern……

Hans Rosling: Factfulness
Wobei „angefangen“ nicht stimmt, eher „wieder“ angefangen. Ich habe das Buch irgendwann Ende 2021/Anfang 2022 angefangen – immer in kleineren Abschnitten. In den letzten Monaten habe ich oft – gerade wegen der vielen Ereignisse (Pandemie, Afghanistan, Ukraine) an der optimistischen Grundhaltung „es ist besser als man denkt“ gezweifelt (so verstehe ich zumindest die auf Tatsachen basierende Grundhaltung des Buches) und es zur Seite gelegt. Aber irgendwie reizt es mich doch, es weiterzulesen.
Außerdem hatte ich mir vorgenommen jeden Monat zumindest ein Sachbuch zu lesen….
Links zum Buch/über den Inhalt

Ian Leslie: Curious: The Desire to Know and Why Your Future Depends on It (Link zum Buch/Autor)
Es geht um Neugier und das paßt perfekt zu meinem Jahresthema 2023. Ich habe gestern (01.02.2023) schon einige Seite gelesen – das Buch ist sehr interessant!

Januar 2023

Doris Langley Moore: A Game of Snakes and Ladders (Link zum Buch)
Dieses Buch habe ich am 26. Januar ernsthaft angefangen zu lesen und ich mag es sehr. Ich lese es, weil ich die Vorschläge des Twitter-Accounts Neglected Books immer sehr spannend finde und es dazu am 31. Januar sogar eine Livediskussion geben wird. Bis jetzt stehen die Chancen gut, dass ich das Buch bis dahin gelesen habe. Mehr als ein Drittel habe ich schon gelesen und auch schon eine Stelle gefunden, die mich persönlich sehr anspricht.
Beendet am 29.01.2023

Oskar Maria Graf: Unruhe um einen Friedfertigen (Link zum Buch)
Mit dem Buchclub des Staatstheaters Augsburg lese ich bis Ende Februar/Anfang März dieses Buch – jede Woche einen bestimmten Abschnitt und jeweils am Mittwochabend diskutieren wir dann online über dieses Buch. Noch bin ich lesemäßig gut im Rennen….. Am 25.02.2023 (ein paar Tage später als „geplant“) zuende gelesen.

Ari Turunen: Kann mir bitte jemand das Wasser reichen? (Link zum Buch)
Dieses Buch habe ich im August 2018 in Münster im Museum gekauft – der Titel (den ich als ironisch empfunden habe) hat mich sehr angesprochen. Und ja, das Buch ist richtig gut – der Untertitel „Eine kurze Geschichte der Arroganz“ paßt gut, die Beispiele sind klasse. Gleichzeitig (seufz….) sind da viele Verweise auf weitere spannende Bücher……
Beendet am 30.01.2023

Elizabeth von Arnim: Elizabeth auf Rügen (Link zum Buch)
Im Juli 2018 in Stralsund gekauft (bei manchen Büchern weiß ich tatsächlich noch wann, wo und warum ich sie gekauft habe) – eine witzige und unterhaltsame Schilderung einer Rügenreise, die 1904 erstmalig erschienen ist.

Alexandre Dumas: Vingt ans après (Dt. Titel: Zwanzig Jahre danach)
Der zweite Musketierroman von Dumas……

Toshikazu Kawaguchi: Before the coffee gets cold
Ein japanischer Bestseller über eine „urban legend“ – es ist vor allem ein relativ schmales Buch mit einer interessanten Geschichte, nämlich dass man – wenn man bestimmte Regeln einhält – auf einem bestimmten Platz in einem kleinen Café in die Vergangenheit zurückreisen kann. Die Regeln sind aber schon etwas arg streng – ein Buch, das ich vor allem unterwegs dabei habe, da es nicht so wahnsinnig dick ist. Weit bin ich aber noch nicht gekommen (im Moment bin ich nicht so viel unterwegs).

Arturo Pérez-Reverte: El Club Dumas (Dt. Titel: Der Club Dumas, Link zum deutschsprachigen Buch)
Ein spannendes Buch mit vielen Anspielungen auf die Musketierromane von Dumas, der Grund weshalb ich im Moment die Musketierromane lese……

Gabriel Tarde: Les Lois de l’imitation (Dt. Titel: Die Gesetze der Nachahmung, Link zur dt. Fassung)
Über dieses Buch bin ich durch einen Verweis im Buch „Die Schweigespirale“ von Elisabth Noelle-Neumann gestolpert (in dem ich bisher nicht weit gekommen bin). Es klingt spannend und es paßt vor allem auch zu meinem Jahresthema „Wie kommt das Neue in die Welt“?

David Graeber/David Wengrow: The Dawn of Everything (Link zum Buch)
Ich weiß gar nicht mehr, in welchem Zusammenhang ich über dieses Buch „gestolpert“ bin – aber schon der Anfang hat mich begeistert. Es stellt viele Dinge in Frage, die ich bisher „so“ als „so ist es“ angesehen habe. Aber dazu mehr, wenn ich es – irgendwann – durchgelesen habe.

Bis Ende 2022

J. M. Coetzee: Life and Times of Michael K (Dt. Titel: Leben und Zeit des Michael K)
Angefangen zu lesen (und etwas über die Hälfte geschafft), weil ich das Stück in Düsseldorf im Theater sehen wollte. Die Aufführung, die ich sehr interessant fand, war Anfang September 2022, Michael und seine Mutter wurden durch Holzpuppen dargestellt. Und ja, seitdem bin ich nicht weiter gekommen …….
Aber jetzt – am 31.01.2023 habe ich (endlich) die letzte Seite gelesen!

Emile Gaboriau: Le Dossier 113 (Dt. Titel: Die Akte Nr. 113, Link zur deutschsprachigen Version)
Gaboriau hat den französischen Polizeiroman „erfunden“. Im Letzten Jahr habe ich schon L’Affaire Lerouge und Le Crime d’Orcival gelesen (ich habe eine französischsprachige EBook-Gesamtausgabe seiner Werke), als drittes Werk habe ich dann irgendwann „Le Dossier 113“ angefangen…..

J. K. Huysmans: A rebours (Dt. Titel: Gegen den Strich)
Beim Durchgehen der angefangenen Bücher ist mir aufgefallen, dass ich dieses Buch nicht weitergelesen habe. Auch dieses Buch habe ich wegen eines geplanten Theaterbesuchs angefangen zu lesen. Wobei es dazu sogar eine witzige Geschichte gibt: Anfang 2020, kurz vor Beginn der Pandemie, saß ich lesend in der Straßenbahn. Irgendwie kam ich mit dem mir gegenübersitzenden Fahrgast ins Gespräch – ein Schauspieler aus Berlin, der im Theater an der Ruhr eine Rolle spielen sollte und zwar in einem Stück, dass an einem langen Tisch gespielt wird und das die Werke „Gegen den Strich“ von Huysmans und „Unterwerfung“ von Michel Houellebecq (dessen Romanhauptfigur wiederum über Huysmans promoviert und publiziert hat) vereint. Es klang spannend, aber durch die Pandemie konnte ich mir das Stück erst im Mai 2022 anschauen. Und ja, wie so oft, war ich mit dem Buch noch nicht ganz durch als der Theaterabend begann. Irgendwann also……

Dorothy Richardson: Pilgrimage
Irgendwann im Frühsommer bin ich auch beim Lesen der vielen Pilgrimagebände „gescheitert“ – also gescheitert in dem Sinne dass ich es nicht geschafft habe, jeden Monat eine Folge aus der Reihe zu lesen. Es war einfach eine Zeitfrage…… Mal sehen, wann ich diesen Faden wieder aufgreifen kann. Bis zum Anfang von „Revolving Lights“ bin ich immerhin gekommen, das ist immerhin Buch Nr. 7 von 13.

Johann Gottfried Seume: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
Im Oktober 2021 habe ich das Buch „Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus“ von Friedrich Christian Delius gelesen. Die Hauptperson dieses Buches hat das Buch von Seume gelesen und will (zu den Zeiten als die DDR und die Grenzen noch existierten) auf den Spuren von Seume nach Italien wandern. Das Buch von Delius fand ich sehr interessant. Klar, dass ich das Buch von Seume, das ihn vermutlich zu dieser Geschichte angeregt hat, auch lesen „muß“. Aber auch in dem Buch bin ich noch „unterwegs“.

Oder anders?

Wie kommt etwas für mich Neues in meine Welt? Das ist die zusammenfassende Frage meines ersten Beitrags. Ich habe in der Zwischenzeit viel über diese Frage und das Thema an sich nachgedacht. Denn: auch wenn ich „das Neue“ auf etwas für mich Neues beschränke, so haftet doch dem Begriff „neu“ immer noch mehr an – gleichzeitig Glanz und Last. Nicht umsonst stehen die ersten Januartage im Zeichen der „Neujahrsvorsätze“ – dabei kann man auch zu jeder anderen Zeit des Jahres Neues beginnen (vielleicht sogar besser!)….

Vor ein paar Tagen habe ich (aus NEUgier) ein paar Menschen gefragt, wie sie selbst auf neue Ideen kommen – die Frage paßte thematisch in dem Moment gut. Interessanterweise haben einige geantwortet, dass sie sich dann um neue Ideen kümmern, wenn es notwendig ist – wenn man also ein konkretes Problem lösen muß. Ein spannender Gedanke – denn einerseits kann ich das durchaus nachvollziehen, andererseits vermute ich, dass es bessere Wege gibt. Aber es paßt zu einem Gedanken, den ich Ende der letzten Woche hatte – was, wenn man „neu“ durch „anders“ ersetzt?

Vor vielen Jahren wollten meine Mutter und ich Silvester ein klassisches Fondue machen. Am Silvesternachmittag machten wir noch einen Spaziergang und meine Mutter erzählte, was sie gleich zuhause zur Vorbereitung des Fondues machen würde. Sie ging alle Schritte durch und stockte plötzlich, denn wir hatten kein Fett im Haus. Wir hatten schlicht und einfach vergessen, diese Zutat zu kaufen und alle Geschäfte hatten schon geschlossen. Was nun? Es war die Zeit „vor“ dem Internet, eine Internetsuche gab es also noch nicht. Ich habe zuhause in ein paar Rezeptheften und Kochbüchern geblättert und ein Rezept für Fondue mit Brühe und Sherry entdeckt. Das hatten wir beides da. Wir haben also ein Fondue mit Brühe gemacht und es hat wunderbar geschmeckt. Es sind diese kleinen Momente, die jeder Mensch mal erlebt hat, die dazu führen, dass wir Dinge anders machen – eine andere Zutat in einem Rezept, ein anderer Weg, eine andere Kombination.

Auch der Komponist Igor Strawinsky hat Dinge kombiniert, die niemand zuvor kombiniert hat. Noch vorsichtig in Petruschka – dort wechselt er von Dur zu Moll und umgekehrt, teilweise gleichzeitig und damit für damalige Zuhörerinnen und Zuhörer völlig befremdlich in Das Frühlingsopfer (Le sacre du printemps) – wo Dur und Moll gleichzeitig erklingen. Aus heutiger Sicht hat er etwas faszinierend und bahnbrechend Neues geschaffen. Dabei hat er – eigentlich – nur die schon bekannten Tonlagen Dur und Moll ganz anders (!) kombiniert. Und ja, ohne die wunderbare Erklärung des Dirigenten (und Generalmusikdirektors) Gabriel Feltz in der Pause des Strawinsky-Ballettabends in Dortmund wäre ich nicht auf dieses Beispiel gekommen.

Das Neue kann also entstehen, wenn ich mit vorhandenen Dingen und Gedanken anders umgehe. Das Ergebnis wird für mich immer wieder anders sein (bei Rezepten nicht notwendigerweise immer gut). Es ist aber etwas, das ich relativ leicht, ohne viel Anstrengung und Nachdenken und ohne Druck immer mal wieder machen kann. Sozusagen ein erster einfacher Schritt!

Damit wünsche ich Euch und Ihnen viel Spaß (und auch Erfolg) dabei, etwas – einfach irgendetwas – anders zu machen als sonst.

Neu?

Am Sonntag habe ich mein persönliches Projekt für 2023 bekannt gegeben – „Wie kommt das Neue in die Welt?“. Und das ist gar nicht so einfach – „DAS Neue“, „DIE Welt“. Wie kann man das Ganze also etwas einfacher angehen? Heute beim Spaziergang habe ich mir überlegt, dass meine erste Frage für mich und vor allem an mich eigentlich sein sollte – „wie kommt etwas für MICH Neues in MEINE Welt?“. Das ist eine Frage, mit der ich – für mich – gut starten kann.

Also: wie kommt etwas für mich Neues in meine Welt? Im Alltag ist oft nicht so viel Platz für Neues. Man geht dieselben Wege, kocht die selben Speisen, beschäftigt sich mehr oder weniger mit denselben Dingen. Das ist auch grundsätzlich in Ordnung – ich will das nicht negativ bewerten. Gerade in Zeiten mit vielen Aufgaben, mit viel Unruhe oder mit vielen Sorgen ist die Beschäftigung mit Neuem nicht „so“ leicht. Und manchmal ist sie dann auch gar nicht so wichtig oder kommt einem zumindest nicht so wichtig vor. Ich habe selbst gemerkt, dass ich in Jahren, die für mich schwierig waren, zum Beispiel weniger gelesen habe und auch sonst oft weniger unternommen habe.

Wie kommt also etwas für mich Neues in meine Welt? Für mich ist es erst einmal wichtig, dass „das Neue“ eben nicht absolut neu sein muß. Es reicht, wenn es für mich in dem Moment neu ist. Das kann also ein neues Buch, ein neues Thema, eine neue Methode, ein neues Rezept, eine neue Frage, ein neuer Weg oder eine neue Perspektive sein. All das kann ich – wenn ich möchte – relativ problemlos in meinen Alltag integrieren. Ich kann zum Beispiel einen Weg, den ich oft gehe, in anderer Richtung gehen. Es ist erstaunlich wie sehr das die Perspektive ändern kann. Ich habe das einmal im Winter erlebt. Ich bin im Laufe des Jahres den Weg zu einem bestimmten kleineren Bahnhof relativ häufig gegangen. An einem schönen Winternachmittag mit Schnee bin ich an diesem Bahnhof ausgestiegen und wollte nach Hause gehen. Was überraschend war – ich fand den Weg erst einmal nicht, denn ich kannte diese Perspektive nicht. Ich bin also in die „richtige Richtung“ losgelaufen und habe mich zwischendurch immer mal wieder umgedreht, um zu überprüfen, ob der Weg (über ein Feld zu einem kleinen Wald) richtig war. Ja, ich habe den Weg gefunden und es war auch gar nicht so schwierig. Aber es war ungewohnt. Und dieses Ungewohnte war wiederum spannend.

Was mache ich also im Moment, um immer mal wieder etwas für mich Neues in meinem Leben zu haben?
– ich lese Bücher und habe mir vorgenommen in diesem Jahr auch mal wieder mehr Sachbücher zu lesen, eben auch zu für mich neuen Themen
– ich gehe in mir noch unbekannte Ausstellungen und Theaterstücke
– ich probiere neue Kochrezepte
– ich gehe neue Wege in meiner Stadt (Wuppertal) aber auch im Umfeld
– wenn ich an interessanten Gebäuden/Denkmälern vorbeikomme, dann lese ich die dazu gehörenden Schilder und Hinweise
– ich versuche, mir selbst gute Fragen zu stellen
– ich lese viele verlinkte Texte (auch zu Themen, mit denen ich beruflich überhaupt nichts zu tun habe – Twitter ist dafür immer noch sehr gut!)
– ich denke zwischendurch immer wieder darüber nach, wie etwas für mich Neues in mein Leben kommt.

Ob es gelingen wird? Wer weiß. Aber in den letzten Tagen hatte ich schon ein paar spannende Überlegungen, die ich demnächst sicher auch „hier“ unterbringen werde.

Damit wünsche ich Euch und Ihnen mit Dvoraks 9. Sinfonie Aus der neuen Welt einen Abend mit gutem Neuem!

Wie kommt das Neue in die Welt? – Projekt 2023

Heute Mittag habe ich einen längeren Neujahrsspaziergang gemacht. Ich bin zum größten Teil den selben Weg gegangen, den ich auch vor einem Jahr gegangen bin. Damals war es etwas später am Tag und es war etwas kälter als heute. Ich weiß noch genau an welcher Stelle des Weges ich den Entschluß gefaßt habe, das Projekt „Assoziationen 2022“ in die Welt zu rufen. Ich habe damals unterwegs lange nachgedacht, zwischendurch ein bißchen recherchiert und am Abend (ich mache solche Dinge meistens am Abend) kurzentschlossen den ersten Beitrag geschrieben.
Auch heute hatte ich eine Idee. Ich habe vor einigen Jahren (nachgeschaut – 2014) mal einen Blogbeitrag mit dem Titel Neues wagen geschrieben. Die Gedanken in diesem Blogbeitrag passen gut zu meinem Vorhaben für 2023 – darüber nachzudenken, wie „das Neue“ in die Welt kommt, also auch zu mir und in meine Welt kommt. Wie kann ich selbst Neuem offen begegnen, über Neues nachdenken oder Neues ausprobieren. Mir selbst (und natürlich den Menschen, die vielleicht gelegentlich meine Beiträge lesen) möchte ich Fragen stellen, ich möchte über passende und unpassende Bücher oder Wege schreiben, über Umwege und Verirrungen und ich möchte überlegen, welchen neuen Themen, Aufgaben oder Fragen ich mich stelle (ja mich, nicht mir – es mag komisch klingen – aber es gut in einem gewissen Sinn darum, dass ich mich dem Neuen „stelle“).

Ich werde definitiv nicht täglich schreiben – das würde zu dem Thema auch nicht passen. Aber ich werde (hoffentlich) relativ häufig festhalten, was mich zu diesem Thema oder eher zu dieser Frage „bewegt“. Für heute möchte ich die wunderbare Frage des BR aus dem Tweet von heute aufgreifen: „Welche neuen Wege wollt Ihr 2023 gehen?“ Mich hat diese Frage heute auf meinem Spaziergang begleitet, sie hat sich zu den Gedanken der letzten Tage gut gefügt. Mal sehen, was sich im Laufe des Jahres ergibt.

Jetzt wünsche ich erst einmal mir, Euch und Ihnen ein gutes NEUES Jahr mit vielen guten neuen Erfahrungen, neuen Erkenntnissen und neuen Fragen.