R: „Schloss Gripsholm“ von Kurt Tucholsky

Im August habe ich (im Rahmen der Bücherbar) das Buch „Der grosse Sommer“ von Ewald Arenz gelesen. In diesem Buch erwähnt der Erzähler (der auch die Hauptfigur des Buches ist) zwei Bücher. Das machte mich neugierig, da ich beide Bücher – eines von Bergengruen und Schloss Gripsholm von Tucholsky – nicht kannte. Deswegen habe ich im September „Schloss Gripsholm“ von Tucholsky gelesen. Ein Klassiker und natürlich auch ein klassischer Autor – von dem ich bis zu diesem Zeitpunkt aber nichts gelesen hatte.

Der Erzähler fährt mit seiner Freundin Lydia in die Sommerferien nach Schweden. Sie fahren mit dem Zug und der Fähre und kommen nach einiger Zeit in Stockholm an. Dort wollen sie allerdings nicht im Hotel bleiben, sie suchen ein anderes Plätzchen. Ein Übersetzer führt sie herum und entdeckt für sie beziehungsweise mit ihnen Schloss Gripsholm. Dort mieten sie sich für ein paar Wochen eine Unterkunft. Es ist idyllisch. Und witzig. Und manchmal nervig (wer, wann, wie, mit wem). Und manchmal traurig (weil auch ein Kinderheim vorkommt, in dem die Kinder gar nicht gut behandelt werden). Es ist eine schöne Geschichte über einen schönen Urlaub in Schweden mit dem Besuch von Freunden (ein Freund von ihm, eine Freundin von ihr), mit viel Essen und Freizeit und dem Kümmern um das Kind. Irgendwie habe ich zwischendurch immer gedacht, dass irgendetwas noch „passieren“ müßte, aber das war nicht der Fall. Es war einfach nur eine schöne Schilderung des gemeinsamen Urlaubs und damit eine gute Urlaubslektüre, weil die Geschichte so gar nicht anstrengend zu lesen ist – aber das wußte ich vorher natürlich nicht.

Wer mehr Informationen über das (tatsächlich in der Nähe von Stockholm existierende) Schloss Gripsholm sucht, wird übrigens hier fündig.

R: „The Wintringham Mystery: Cicely disappears“ von Anthony Berkely

Eine der September-Aufgaben aus der Booklover-Challenge für September war, ein Buch mit einem herbstlichen Cover zu lesen. Herbstliches Cover – eine solche Aufgabe stürzt mich persönlich ja in große Verzweiflung. Ich achte praktisch gar nicht auf die Gestaltung des Covers. Der Titel des Buches ist mir wichtig, der Klappentext, gerne blättere ich auch in einem Buch, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob es mir gefällt oder nicht. Aber das Cover….. Ich streifte also verzweifelt an meinen Buchstapeln entlang. Nichts, was ich auch nur irgendwie herbstlich empfand. Vieles einfarbig, gelegentlich etwas, was vielleicht sommerlich wäre. Aber herbstlich? Dann entdeckte ich endlich ein Buch, das ich ohnehin lesen wollte, auf dem ein Baum fast ohne Blätter abgebildet war. Herbstlich. Eindeutig herbstlich!

Tatsächlich spielt das Buch The Wintringham Mystery: Cicely disappears wohl auch am Herbstanfang. Stephen Munro ist nicht mehr wohlhabend und hat sich entschlossen, seinen Butler zu entlassen und selber einen Job als Diener im Haus von Lady Carey anzunehmen. Dort soll nämlich eine Gesellschaft stattfinden und dafür wird etwas mehr Personal gebraucht. Stephens Butler hat die Pläne seines ehemaligen Arbeitgebers natürlich längst durchschaut und dort eine Stelle als Gärtner angenommen. Dass Stephen als Diener keinen besonders guten Job macht, ist wohl wenig überraschend. Unangenehm wird es für ihn als er feststellt, dass er einige der Gäste von seiner Zeit als Mensch der Gesellschaft kennt. Er versucht ihnen klarzumachen, dass er sich als Diener im Haus nicht einfach dazusetzen kann, aber die wirklich freundlichen Gäste, sehen diesen Punkt nicht ein.

Freddy, einer der Gäste, will am Abend eine Séance machen und bittet Stephen um Unterstützung. Irritierenderweise verschwindet dabei ein weiblicher Gast, Cicely. Es sieht erst wie ein Scherz aus, aber es folgt keine Auflösung. Statt dessen folgt eine Art Erpressungsnachricht. Und alle suchen……

Ich fand das Buch, das ursprünglich 1926 in einer Zeitung als Fortsetzungsgeschichte veröffentlich wurde bei der man das Ende „herausfinden“ sollte, sehr unterhaltsam. Einfach ein guter Krimi – auf die Lösung wäre ich allerdings nicht gekommen (immerhin: Agatha Christie ist daran auch gescheitert – ich bin also in guter Gesellschaft!).

R: „Ascher Levys Sehnsucht nach Deutschland“ von Roman Frister

Eine der August-Aufgaben der Bookloverchallenge lautete „Lies ein Buch in dem jemand stirbt oder gestorben ist“. Plötzlich hatte ich – selbst für den konkreten Monat – zuviele Bücher zur Auswahl. Lange habe ich überlegt, ob ich „Eine Nacht in Lissabon“ von Remarque oder das Buch „Ascher Levys Sehnsucht nach Deutschland“ von Roman Frister auswähle. In beiden gehört der Tod „dazu“ – ist untrennbar mit der Geschichte im Buch verbunden. Das Buch von Remarque ist sehr ergreifend (so steht es auch im Text zum Buch), aber es ist zum einen ziemlich bekannt und zeigt nur einen kleinen zeitlichen Ausschnitt. Deshalb habe ich mich entschieden, das Buch von Roman Frister hier vorzustellen.

In einem Pappkoffer auf einem Flohmarkt in Jaffa findet der Autor des Buches viele Briefe, Fotos und persönliche Dokumente von fünf Generation der Familie Levy. Er recherchiert die Geschichte der Familie und zeichnet sie in diesem Buch nach – von den Anfängen bis zum Ende der Geschichte in Deutschland.

Die Geschichte beginnt mit dem Vater von Ascher Levy – aber eigentlich begleitet das Buch Ascher Levy beim Aufbau seines Unternehmens und seiner Familie. Aacher Levy sieht im Gegensatz zu den Menschen um ihn herum keinen Widerspruch zwischen Religion und Nationalität. Er ist jüdisch und er legt großen Wert auf seinen Glauben und die damit verbundenen Traditionen. Gleichzeitig ist er deutsch und möchte als erfolgreicher deutscher Unternehmer und Bürger in seiner Heimatstadt auch so gesehen und behandelt werden. Ein sehr verständlicher Wunsch.

Zwei Söhne hat Ascher Levy – einer von beiden wird das Unternehmen wiederum erfolgreich weiterführen. Beide Söhne haben Kinder. Die Familie wird größer, die Einstellungen (auch zum Thema Religion) ändern sich, die Zeiten ändern sich. Die Enkelkinder von Ascher Levy und ihre Kinder sehen sich der Verfolgung in Deutschland ausgesetzt. Während Ascher Levy in hohem Alter in der Familie starb, ist das bei seinen Kindern und Enkelkindern nicht immer der Fall.
Die Geschichten der einzelnen Familienmitglieder werden bis zu ihrem jeweiligen Ende erzählt. Einige sterben vorzeitig, andere sind rechtzeitig geflohen und überleben.

Liebe zu Büchern?

Die Schreibaufgabe für August in der Bookloverchallenge hat das Thema „Liebe zu Büchern“. Interessanterweise hat das bei mir die Frage ausgelöst, was ich eigentlich liebe – das Buch als (körperlichen) Gegenstand oder das Lesen an sich (als Art der Nutzung von Büchern). Schuld an diesem Gedanken ist Umberto Eco oder konkreter sein Buch „Die Kunst des Bücherliebens“.
Ein sehr interessantes Buch, das gut zu dieser Aufgabe passt (wobei ich es gerade erst angefangen habe).

Ich mag Bücher. Sehr sogar. Ich habe eigentlich immer mindestens ein Buch dabei, Ausnahmen sind nur lurze Spaziergänge „um den Block“, wenn ich nicht einmal eine kleine Tasche dabei habe.

Ich liebe Buchhandlungen, wobei ich in den letzten Jahren bedingt durch die Pandemie und die Tatsache, dass ich noch sehr viele ungelesene Bücher besitze, weniger Bücher gekauft habe. Zeiten großer Unsicherheit sind nicht unbedingt gute Buchkaufzeiten, manchmal (so zum Beispiel am Anfang der Pandemie) auch keine guten Lesezeiten. Grundsätzlich bevorzuge ich den persönlichen Besuch in einer Buchhandlung. Meistens suche ich gar kein konkretes Buch, sondern lasse mich inspirieren. Ich flaniere also langsam an den Büchern vorbei, ziehe hier unnd dort mal eines aus dem Regal, lese den Kurztext hinten und warte darauf, dass die richtigen Bücher mich finden. Vor Ort klappt das sehr gut – es ist so als ob die Bücher mich rufen. Online entsteht diese besondere Verbindung nicht (oder nur sehr selten).

Das gekaufte Buch landet dann meist erst einmal in einem Regal oder auf einem Stapel. Es ist wegen seines Inhalts wichtig, den ich – wenn irgendwann der richtige Zeitpunkt kommt – lesen und (soweit passend) genießen werde. Erstausausgaben, signierte Bücher – all das ist mir nicht wichtig, allein der Inhalt zählt!

Deshalb ist es wohl eher Leseliebe als Bücherliebe. Lesen als Möglichkeit des Gesprächs mit Abwesenden – ein Aspekt, den Eco in seinem Buch erwähnt und den ich sehr wichtig finde. In meinem Leben gibt es keine „Anwesenden“, das Lesen von Büchern ist für mich die einzige Möglichkeit des Dialogs. Ich betrachte und verfolge mit dem Lesen des Buches die Gedanken und das Leben anderer Menschen, ohne sie zu stören und ohne abgelehnt werden zu können. Vielmehr kann ich „gehen“, also das Buch zur Seite legen, wenn es nicht oder nicht mehr passt. Und auch wenn ich gehe, kann ich das Buch und die Geschichte/den Inhalt weiter mit mir tragen. Es ist dann eine Verbindung entstanden und gelegentlich greife ich dann nach dem Buch und blättere darin. Eine Art von Freundschaft zum Buchinhalt….

Das Lesen von Büchern ist wohl meine persönliche Art der Buchleseliebe!

R: „Kein Zurück für Sophie W.“ von Katharina Zimmermann

Ein Buch, in dem Schwestern oder Freundinnen die Hauptrolle spielen. Eine gar nicht so einfache Aufgabe. Zwar gibt es in vielen Büchern, die ich lese Schwestern oder Freundinnen, aber sie haben meistens wenig Bedeutung für die Geschichte. Also für das, was sich im Buch tatsächlich ereignet. Einen Moment habe ich im August darüber nachgedacht, ob ein Buch von Dorothy Richardson in Frage kommt. Aber auch da sind Schwestern und Freundinnen zwar präsent, aber nicht so wirklich wichtig. Dann fiel mein Blick irgendwann auf das Buch Kein Zurück für Sophie W. von Katharina Zimmermann.

Um die Jahreswende herum habe ich meine Regale und Bücherstapel relativ intensiv aufgeräumt. Dabei fiel mir auch dieses bislang ungelesene Buch in die Hände. Ich weiß nicht mehr wann und warum ich es gekauft habe. Ich weiß nur, dass ich es noch nicht gelesen hatte. Irgendwann im Frühjahr habe ich angefangen, den größten Teil des Buches habe ich tatsächlich im August gelesen.

Eine junge Frau hört den Namen einer Verwandten, die ihr bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt ist. Sie sucht nach der Geschichte dieser ihr unbekannten Verwandten, die von allen verschwiegen wurde, nach Sophie.

Eine Schweizer Familie in einem Dorf vor etwa 150 Jahren. Die Rüdli-Eltern und vier Kinder – Sophie, Johanna, Rosa und Samuel. Sophie ist die älteste Tochter – klug, geschickt und fleißig. Nach Abschluß der Schule im Dorf im Berner Oberland wird Sophie von den Eltern in die französischsprachige Schweiz geschickt, um dort ihren Schulabschluß auch noch in französischer Sprache zu machen. Danach wird sie Schneiderin – eine richtig gute sogar. Zuhause im Dorf wird ihre Schwester Rosa krank, der Bruder stirbt. Sophie kommt zurück ins Dorf. Der junge Lehrer Göpf verliebt sich in sie. Sie mag ihn auch – aber eigentlich hätte ihre Schwester Johanna besser zu ihm gepasst – das findet zumindest Johanna. Ein Keil zwischen den beiden Schwestern.

Nach der Hochzeit zieht Sophie mit Göpf in sein Dorf – relativ weit weg von den Eltern. Sie arbeitet in der Bäckerei der Familie von Göpf – auch da sehr erfolgreich. Und sie bekommt drei Kinder. Viel Arbeit, wenig Freizeit, wenig Anerkennung oder Freude. Dann fängt ein junger Bäcker in der Bäckerei an. Walder, so heißt der junge Bäcker, mag die schon ältere Sophie. Sehr sogar. Sie ist geschmeichelt und trifft sich einmal privat mit ihm an einem See. Und wird gesehen.

Plötzlich sind alle gegen sie, auch ihre Schwestern. Es ist als ob eine Lawine den Berg herunter kommt. Nichts, was sie versucht, kann noch irgendetwas „retten“….

Ich fand das Buch einerseits sehr interessant, andererseits war es mir fremd, weil die Folgen eines „Fehltritts“ so gravierend waren. Für Sophie war es ein Leben ohne „Happy End“, einfach nur mit viel Arbeit. Und dass sie so sehr verschwiegen und abgelehnt wurde fand ich sehr traurig. Gleichzeitig fand ich es spannend, eine Geschichte aus der Schweiz und über die Anfänge des Tourismus (das führt zum Erfolg der Bäckerei) zu lesen.
Es ist vor allem ein Buch, in dem die Schwestern in ihrem Umgang mit Sophie, eine große Rolle spielen.

R: „Die weiße Garde“ von Michail Bulgakow

Ein Buch über Befreiung – das ist gar nicht so einfach. Ja, natürlich gibt es viele Bücher, die mit dem Thema „Befreiung“ zu tun haben und ich habe auch schon viele gute Bücher dazu gelesen, aber ich hatte kein Buch griffbereit, das mich reizte. Aber: was ist eigentlich Befreiung? Wovon? Von wem oder von was? Ich mußte an die Ukraine denken – die ganz eindeutig um ihre Freiheit kämpft und für die eine erfolgreiche eigene Befreiung ein wunderbarer Erfolg wäre (und hoffentlich auch sein wird!).

Bei dem Stichwort „Ukraine“ fiel mir dann das Buch „Die weiße Garde“ von Michail Bulgakow ein. Das Buch spielt während der Bürgerkriegszeit (im Winter 1918). Bulgakow selbst stammte aus Kiew, hat sich aber – wenn ich es richtig gelesen habe – selbst nicht als Ukrainer sondern als Russe verstanden. In dem Buch schildert er die Geschichte der Familie Turpin und ihrer Freunde während dieser Zeit. Die drei Geschwister Alexej, Jelena und Nikolka haben kurz vorher ihre Mutter verloren und leben jetzt mit Jelenas Mann in einer Wohnung. In der Stadt (der Roman spielt in Kiew, die Stadt selbst wird aber nie namentlich genannt, sondern immer nur als „STADT“ bezeichnet) haben sich viele versammelt, die vor den „Roten“ geflohen sind. Die Lage ist unübersichtlich – es gibt die Deutschen, es gibt den Hetmann, es gibt die „Roten“ und es gibt die Männer von Petljura. Talberg, Jelenas Ehemann, verläßt die Stadt mit den Deutschen. Danach wird die Lage unübersichtlich. Das, was ich bisher in einigen guten Vorträgen über ukrainische Geschichte gehört und in dem ein oder anderen Buch über die Geschichte der Ukraine auch gelesen habe, wird hier zur konkreten Geschichte einer Familie (wobei die Geschichte vermutlich zu einem guten Teil auf den persönlichen Erfahrungen von Bulgakow basiert, der – wie Alexej – auch Arzt war).

Wer möchte also von wem befreit werden? Wer soll gewinnen? Und wie kann man überleben? Das sind Fragen, die dieser Roman an einem kleinen zeitlichen und persönlichen (die Geschwister Turpin) Ausschnitt aufgreift. Es sind so grundlegende Fragen wie „habe ich jetzt Angst“, die sich Nikolka vor seinem ersten Einsatz stellt, aber auch der Umgang mit dem Zufall – habe ich Glück und überlebe ich oder habe ich Pech und überlebe nicht? Was wäre gewesen, wenn ich den anderen Weg genommen hätte? Es ist das Schicksal, das an vielen Stellen in diesem Buch entscheidet. Und (fast) jeder hat ein anderes Ziel, es eint sie eigentlich nur, dass sie überleben wollen.

R: „Sommerfrische – Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen“ von Thomas Stiegler

„Die Sommerferien beginnen!
Lies ein Buch, das im Sommer oder in den Ferien spielt!“
Das war eine der Aufgaben der Bookloverchallenge für den Monat Juli. Ich war erst ein bißchen ratlos. Ja, es ist Sommer, aber ich habe keine Ferien und ein Urlaub ist auch nicht geplant. Eher zufällig habe ich in dem Moment das Ebook „Sommerfrische – Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen“ angefangen. Ohne es zu vorher zu ahnen hatte ich mein Buch für diese Aufgabe und viele inspirierende Texte für diesen Sommer gefunden. Thomas Stiegler (dem ich auch auf Twitter folge – hier sein Twitteraccount) ist der Herausgeber dieses wunderbaren Buches, viele Autorinnen und Autoren haben Geschichten für dieses Buch geschrieben.

Schon das Vorwort hat mich gepackt. Wo kommt eigentlich unsere Idee von Urlaub her? Was ist eine Sommerfrische? Und was ist der Unterschied? Eine schöne Erläuterung, die mich dazu brachte, dass mein „Nichturlaub“ in diesem Jahr nun keinesfalls ein Nachteil ist, sondern mir (vor allem mit dem 9-Euro-Ticket) eine Möglichkeit gibt, meine eigene „Sommerfrische“ in Ausflügen aus der Stadt in die Umgebung zu gestalten. Ich habe – mit dem Buch im Gepäck – unterschiedliche Ausflüge unternommen. Wandern am Rhein von Bonn-Mehlem nach Remagen, Museumsbesuch (mit der wunderbaren Hexenausstellung) und Spaziergang in Arnsberg, Neanderlandsteig von Velbert nach Heiligenhaus (und zurück) und Ausflug nach Borken und Gemen mit Wanderung an der Borkener und Bocholter Aa – waren meine „Highlights“ im Monat Juli (und ja, ich hatte auch noch andere Bücher dabei). Aber ich hatte immer das Gefühl einen besonderen Sommer zu genießen. Eben den „Sommerfrische-Sommer“.

Liebevoll ausgewählte Gedichte (zum Beispiel von Ringelnatz, Rilke und Fontane) und längere interessante Geschichten über besondere Menschen (Fontane, Thomas Mann) und Orte (Bad Ischl, Bad Teinach) wechseln sich ab. Nichts von dem, was ich gelesen habe, war mir vorher in diesen Einzelheiten bekannt. Interessanterweise konnte ich an vielen Punkten gedanklich anknüpfen – mit eigenen Gedanken, Geschichten und Erinnerungen. In der Geschichte zu Fontane an meinen eigenen Harzurlaub in Wernigerode mit Wanderungen und Ausflug nach Quedlinburg vor ein paar Jahren, in der Geschichte über die Gärten in und um Augsburg an meine kurze Augsburgreise im letzten Jahr, bei der ich auch die Fuggerei besichtigt habe und viele der anderen genannten Orte und bei der Geschichte zu Beethoven an die Beethoven-Ausstellung in Bonn, die ich Anfang 2020 (kurz vor Beginn der Pandemie) besucht habe. Herzlich gelacht habe ich bei der Schilderung einer Urlaubsreise in der viktorianischen Zeit. „Die Kickleburys am Rhein“ von Thackeray werde ich auf jeden Fall lesen (ich war witzigerweise als ich diese Geschichte las selbst am Rhein…..). Die Geschichte zum Bodensee und zur Insel Mainau hat mich an eine kurze Ferienreise kurz vor meinem Abitur erinnert. Mit meiner Mutter und meiner Tante war ich ein paar Tage in Langenargen und von dort aus haben wir (unter anderem) Friedrichshafen, Konstanz und die Mainau besucht. Es war schön, beim Lesen in diesen Erinnerungen zu schwelgen und gleichzeitig mehr über diese Orte zu lernen. Die Geschichte über die Thomas Mann und die kuhrische Nehrung erinnerte mich an ein Buch über die kuhrische Nehrung, dass ich vor langer Zeit gelesen habe (ich kann mich nur leider nicht an den Titel erinnern…..). Schließlich noch die Hirschquelle aus Bad Teinach (ein Mineralwasser, das meine Mutter früher bei Sodbrennen getrunken hat) und die Erwähnung des Orten Calmbach, wo ich einige Ferientage meiner Kindheit und Jugend verbracht habe, da meine Großeltern väterlicherseits und zwei Geschwister meines Vaters dort lebten.

Andere Orte – wie zum Beispiel Bad Ischl oder auch die französischen Küstenstädtchen der Normandie klangen so interessant, dass ich in Gedanken mitgereist bin. So hatte ich eine doppelte Sommerfrische – ich reiste lesend und ich las reisend, auf dem Weg zu meinen eigenen Ausflugszielen.

Es ist die Vielzahl der unterschiedlichen Geschichten, Einblicke und Sommerfrischen, die dieses Buch so besonders macht. Die Geschichten und auch die Texte zu den Dichtern der ausgesuchten Gedichte enthalten liebevolle Details ohne zu lang oder gar langweilig zu sein. Sie informieren ohne belehrend zu wirken und sie lassen den Genuß der Sommerfrische von der Seite zum Leser und zur Leserin springen. Zusätzlich gibt es nach jeder Geschichte noch weitere Informationen und Links, was ich wirklich gut finde. Ein wirklich schönes Sommerbuch!

R: „The Tunnel“ (Pilgrimage) von Dorothy Richardson

Schon wieder ist ein Monat vorbei. Und schon wieder habe ich nicht einmal ansatzweise all das gelesen, was ich für die Booklover-Challenge lesen wollte. Aber immerhin habe ich meine „Aufholjagd“ für „Reading Pilgrimage“ fast beendet. Deswegen stellt ich hier auch eines der Bücher aus dem „Pilgrimage-Zyklus“ von Dorothy Richardson vor.

Auf Twitter gibt es den Account „Neglected Books“ – dort werden Bücher vorgestellt, die viele Menschen nicht (noch nicht oder nicht mehr) kennen. Eine schöne Idee und ich lese die Tweets sehr gerne. Seit Anfang des Jahres lesen nunmehr einige Menschen zusammen die 13 Bücher von Dorothy Richardson – jeden Monat ein Buch, in einem Monat zwei. Eine schöne Gelegenheit, diese Bücher auch zu lesen. Allerdings habe ich es im Januar/Februar nicht geschafft, jeweils rechtzeitig fertig zu werden, so daß ich im Mai/Juni eine Art Aufholjagd starten mußte. Jetzt bin ich fast mit Buch Nr. 6 durch, vorstellen möchte ich aber Buch 4 – The Tunnel.

Der Name der Autorin sagte mir vor den Tweets und dem Leseprojekt ehrlich gesagt gar nichts. Interessant ist aber, dass Dorothy Richardson als erste englischsprachige Autorin den Roman in der Erzähltechnik des „stream of consciousness“ veröffentlich hat. Sehr oft wird sonst James Joyce mit dieser Erzähltechnik in Verbindung gebracht, Dorothy Richardson hat aber anscheinend schon vor ihm mit dieser Erzähltechnik gearbeitet.

Jedes Buch erzählt einen gewissen Zeitraum aus dem Leben der Protagonistin Miriam Henderson. Während sie im ersten Buch nach Deutschland aufbricht, um dort an einer Schule zu arbeiten, sie im zweiten Buch in einer Schule in London arbeitet (was ihr nicht ganz so viel Freude bereitet), hat sie im vierten Buch – The Tunnel – die Schulen und den Bereich der „Erziehung“ verlassen. Es ist ein richtiger Umbruch. Sie bezieht ein kleines (und ärmlich klingendes) Zimmer in London bei Mrs Bailey und arbeitet in einer Zahnarztpraxis. Dort kümmert sie sich um viele unterschiedliche Dinge – die Vorbereitung der Behandlungsräume und der benötigten Gegenstände und Materialien, aber auch die Abrechnungen und andere eher administrative Dinge. Wenn man bedenkt, dass das Buch 1919 erschienen ist, dann ist das gleichzeitig ein spannender Einblick in die Zahnmedizin am Anfang des 20. Jahrhunderts als auch in die Berufswelt einer jungen unverheirateten Frau. Gleichzeitig ist es eine wunderbare Schilderung ihrer Tage und Wege in London und der Menschen, die ihr begegnen (das zieht sich auch durch die weiteren Bücher, jedes Buch ist einzigartig!).
Aus der Sicht von Miriam selbst erzählt, hatte ich oft den Eindruck ihr bei ihren Gedanken (zum Beispiel über Einsamkeit und den Umgang mit anderen Menschen) über die Schulter zu blicken, ihr in geringem Abstand beim Lesen zu folgen, ohne ihr jemals wirklich nahe sein zu können. Viele ihrer Gedanken konnte ich gut nachvollziehen, manche Stellen fand ich besonders schön.

Ich bin ehrlich gesagt auf die weiteren 7 Bücher sehr gespannt und sehr dankbar, dass ich dieses spannende Projekt entdeckt habe (auch wenn es mich immer wieder ein bißchen unter Lesezeitdruck setzt).

Welche Frauencharaktere aus Büchern sind mein Vorbild und warum?

Die Frage oben ist das „Schreibthema“ dieses Monats bei der Bookloverchallenge. Als ich vorhin – zwischen einem Klangspaziergang und dem Beginn eines Vortrags – etwas Zeit hatte, habe ich ein paar Gedanken zu dieser Frage festgehalten. Mal schauen, ob ich damit – noch vor Mitternacht – so etwas wie einen kurzen Blogbeitrag hinbekomme.

Welche Frauencharaktere sind also mein Vorbild und warum?
Es ist eine Frage, an der ich scheitere. Ich lese schon ziemlich viel und es sind oft auch interessante Frauencharaktere dabei. Aber Vorbilder? Nein. Es liegt daran, dass ich den Begriff des Vorbilds (egal ob männlich oder weiblich) schwierig finde. Es gibt Buchcharaktere, die mich ansprechen, berühren, interessieren oder neugierig machen und damit sogar zu weiterer Suche oder Lektüre anregen. Da könnte ich einige nennen. Aber als „Vorbilder“ würde ich sie nicht bezeichnen.

Manchmal handelt es sich um historisch reale Personen, die in Theaterstücken oder Romanen natürlich eine fiktive Rolle „übernehmen“. Was ist wahr, was ist Fiktion, wenn ich einen Roman oder ein Theaterstück über Elizabeth I, Margarethe I oder Mary Stuart lese? Wie stark nehme ich Gedanken, Gefühle oder die Haltung von anderen Romanfiguren mit? Wie und vor allem wie lange werde ich mich an Stasia, Christine und Kitty (drei der Frauen aus Nino Haratischwilis Buch „Das achte Leben (für Brilka)“ erinnern?

Jede dieser „Figuren“ hat natürlich eine Wirkung auf mich als Leserin. Nicht unbedingt immer nur positiv (ich war über Nelly Blys fehlende Neugier während der Weltreise enttäuscht), aber doch sichtbar. Ich könnte jetzt die „Frauenfiguren“ der Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, gedanklich vorbeiflanieren lassen. Viele davon waren mir sympathisch, manche habe ich nicht verstanden (die überirdische Geduld von Fanny Price in Mansfield Park), manche haben mich positiv überrascht (die Offenheit von Elizabeth Bisland für die Begegnung mit fremden Menschen und Kulturen). Sie alle haben mich ein Stück begleitet, mir ihre Geschichten, ihre Worte und ihre Gefühle geschenkt, manche sind vielleicht zu guten Bekannten geworden, aber eben nicht zu Vorbildern.

Im Begriff des Vorbilds steckt für mich stark der Gedanke des „Nacheiferns“, des „ich will so sein wie sie“ und das paßt nicht. Ich will über Fragen nachdenken, die diese Figuren beschäftigen, ich will über ihre Konflikte und ihre Entscheidungen nachdenken, ich will mit ihnen traurig oder fröhlich sein. Aber: ich will nicht so sein wie sie!

Vielleicht sollte ich irgendwann mal in einer ruhigen Minute festhalten, warum ich welches Buch/welche Figur aus einem Buch tatsächlich schätze. Aber das ist keine Aufgabe für heute Abend.

R: „Das achte Leben (für Brilka)“ von Nino Haratischwili

Es ist der letzte Tag, um meinen „Beitrag“ für die Bookloverchallenge zu schreiben. Ich bin – wie fast immer – damit spät dran und das obwohl ich das Buch schon länger ausgelesen habe. Diesen Monat stand als eine Aufgabe auf dem Programm „Lies ein Buch mit einer starken Frauenrolle“. Erst wollte ich etwas zu/mit/über Maria Stuart lesen, aber dann fiel mir auf, dass in dem Buch „Das achte Leben (für Brilka)“ unglaublich starke Frauen leben. Ja, sie leben wirklich in dieser Geschichte von einer Familie, die ein ganzes Jahrhundert erzählt und überbrückt.

Die Geschichte erzählt die Leben der einzelnen (wichtigen) Familienmitglieder vor dem Hintergrund der georgischen und russischen Geschichte. Auch wenn die ersten Seite Stasias Vater gehören, so beginnt das Buch doch wirklich mit Stasia, der Tochter des Schokoladenfabrikanten, ihren Träumen, ihren Entscheidungen und ihrer Familiengründung. Als Leserin begleite ich Stasia durch die Wirren der russischen Revolution, durch Sankt Petersburg – auf der Suche nach ihrem Mann. Irgendwann kehrt sie nach Georgien zurück und wir schauen auf ihre jüngere Schwester, Christine. Christine heiratet „gut“, hat ein großes Haus und nimmt Stasia und ihre Kinder Kostja und Kitty auf. Stasia freundet sich mit Sopio an, die aufgrund ihrer Herkunft und Interessen eine Außenseiterin ist. So wandern wir durch die Generationen und begleiten in jeder Generation – und immer vor dem Hintergrund der Geschichte – die persönliche Lebensgeschichte eines Menschen.

Die Frauen in dem Buch sind besonders stark: Stasia, die das Rezept der Schokolade kennt und weitergibt, die den Schmerz kennt und die mit vielen Menschen sehr verbunden ist, Christine, die aufgrund ihrer Schönheit sehr leiden muß, viel verliert und sich doch sehr um die Menschen bemüht, die ihr am Herzen liegen, Kitty, die ihr Kind verliert und trotzdem für sich einen guten Weg findet – möchte ich nur beispielhaft nennen.

Es ist ein wunderbares und sehr spannend geschriebenes Buch. Keine Seite war zuviel. Manchmal habe ich beim Lesen Pausen gemacht, andere Bücher weiter gelesen, denn nicht alles ist schön, glücklich oder harmonisch. Ich fand es spannend, in der Form des Romans auch etwas über georgische und russische Geschichte zu lernen.

Sehr empfehlenswert ist auch die Aufführung dieses Buchs als Theaterstück beim Schauspiel Essen – natürlich stark gekürzt und trotzdem fast vier Stunden lang.