Vor knapp 10 Jahren habe ich das Buch „Wilde Schwäne“ von Jung Chang schon einmal gelesen. Einerseits hatte ich es als „gutes Buch“ in Erinnerung behalten, andererseits konnte ich mich an die konkrete Geschichte nicht mehr wirklich erinnern. Ein guter Grund, das Buch dieses Jahr noch einmal zu lesen, als es mir von ein paar Wochen beim Aufräumen in die Hände fiel.
Auf den ersten Blick erzählt „Wilde Schwäne“ die Geschichte einer Familie in China. Drei Frauen prägen die Geschichte dieser Familie – die Großmutter, die noch während der Kaiserzeit zur Welt gekommen ist und mit 15 Jahren (eingefädelt durch ihren Vater) die Konkubine eines Generals wird, die aus dieser Beziehung stammende Mutter, die sich den Kommunisten anschließt und schließlich die 1952 geborene Autorin selbst. Das Buch erzählt nicht nur eine Geschichte, es ist gleichzeitig eine Reise durch die Geschichte Chinas von 1909 bis 1978 – ein spannendes aber mir bisher wenig bekanntes Gebiet.
Auf den zweiten Blick (und das wurde mir beim zweiten Lesen erst richtig klar) erzählt das Buch eine Geschichte über menschliche Abgründe und über das (systematische) Ausnutzen menschlicher Schwächen und Fehler. Die gnadenlose Pflicht zur „Selbstkritik“, die oft eher in „Verrat“ umschlägt und die Angst der Menschen vor den negativen Folgen einer Handlung oder auch nur eines guten Wortes, hat mich bedrückt. Kann man in einer solchen Umgebung seinen eigenen Prinzipien treu bleiben? Kann man seelisch und körperlich überleben? Oder wird man irgendwann selbst zum Verräter – wenn nicht an anderen, dann doch an sich selbst? Es sind wichtige Fragen, die ich aus diesem Buch für mich mitnehme – Fragen, die mich sicherlich auch noch eine längere Zeit bewegen und beschäftigen werden. Deshalb ist das Buch „Wilde Schwäne“ ein Buch, das mich in diesem Jahr bewegt hat.