Heute begegnen wir Carl, Carolin und Charles. Anfangen möchte ich mit Charles – nämlich Charles Dickens. Ich mag die Werke von Charles Dickens sehr und habe sie auf diesen Seiten auch schon oft genug erwähnt. Das Werk, das ich in diesem Jahr gelesen habe, hat mich weniger begeistert als betroffen, zu nah ist es in mancher Hinsicht an Themen unserer Zeit und damit paßt es (leider) zu der Stimmung dieses Jahres. Es geht um soziale Ungerechtigkeit, die Schere zwischen arm und reich, den Umgang mit Wahrheit und Lüge, eine (vermeintlich) faktenbasierte Gesellschaft, die gefühllos und unempathisch ist und das, was sich aus dieser Ausgangsbasis entwickelt. „Hard Times“ also „Schwere Zeiten“ heißt das Werk und auch der Titel paßt irgendwie zur aktuellen Situation.
Ende gut, alles gut? Vielleicht nicht – aber so wie Charles Dickens an seine Leser appelliert „Dear reader! It rests with you and me, whether, in our two fields of action, similar things shall be or not. Let them be! We shall sit with lighter bosoms on the hearth, to see the ashes of our fires turn gray and cold.“ so ruft auch Carolin Emcke uns in ihrem Buch „Gegen den Haß“ auf, unsere Handlungen und unsere Sicht auf die Welt zu hinterfragen. Was wir sehen – sehen wollen – und was wir wahrnehmen, ist nicht objektiv und nicht neutral. Was hindert uns, eine Welt der Vielfalt, der Heterogenität und der Pluralität zu leben und zu genießen? Haben wir gerade die Büchse der Pandora geöffnet und verbreiten sich deswegen Krankheit, Hunger und Sorge auf der Erde?
Carolin Emcke fragt im Kapitel „Hoffnung“ nach der Hoffnung, die auf dem Boden der Büchse der Pandora zurückbleibt. Pandora hat die Büchse aus Neugier geöffnet und damit sind wir bei Carl Naughton, der in seinem Buch „Neugier“ auch die Geschichte von Pandora erzählt. Ist die Geschichte von Pandoras Büchse der Beweis dafür, daß Neugier negativ ist? Im Gegenteil! Neugier ist eine Lebenseinstellung, die uns viele Vorteile verschafft – wir lernen ohne externe Motivation, wir sind offen für neue Erfahrungen und Beziehungen, wir spüren den Drang, Unsicherheit aufzulösen, wir verändern Bekanntes und wir stellen Vorhandenes infrage. Wie schön, daß Menschen grundsätzlich neugierige Wesen sind. Allerdings begegnen uns oft „Neugierkiller“ – so zum Beispiel Achtlosigkeit, unser Bedürfnis nach Sicherheit und der Wunsch Unsicherheit, so schnell wie möglich loszuwerden. „Need for Closure“ nennt Carl Naughton das in seinem Buch und beschreibt, daß ein sehr hoher „Need for Closure“ sogar dazu führen kann, daß Menschen sich in ihrem Bedürfnis nach Klarheit und Uniformität autokratische Führer wünschen. Brauchen wir also mehr Neugier beziehungweise eine Kultur der Neugier in unserer Gesellschaft?
Für mich ist Neugier ein wichtiger positiver Wert – die Neugier, neue und unbekannte Orte zu entdecken (hier denke ich an Attilio Brilli), die Neugier auch im Bekannten Neues und Unbekanntes zu entdecken (ich denke an Alain de Botton), die Neugier Themen zu entdecken und zu verfolgen, die (noch) nicht machbar oder zeitgemäß erscheinen (so empfinde ich das Buch von Brigitte Hamann über Bertha von Suttner) und die Neugier, meine Sicht auf die Welt und meine Wahrnehmung immer wieder zu hinterfragen und damit sind wir bei den Autoren in diesem Beitrag.
In diesem Sinne wünsche ich Euch/Ihnen einen 3. Dezember voller wunderbarer Fragen und Entdeckungen und mit viel Offenheit für neue Begegnungen, Erfahrungen und Sichtweisen.