Aus dem Haus…..

Der 1. Dezember ist vermutlich der Tag, den ich nie in meinem Leben vergessen werde. Es war der Tag, der die bis dahin größte Herausforderung meines Lebens mit sich brachte – meine Mutter ins Hospiz zu begleiten.

Am Morgen habe ich noch in der LVQ unterrichtet. Ich mußte sehr früh los und dementsprechend früh mußte ich meine Mutter wecken, ihr beim Waschen und Anziehen helfen, sie runter in die Küche bringen, ein letztes Mal Frühstück machen, sie noch einmal zur Toilette bringen, sie dann ins Wohnzimmer auf ihren Platz bringen, etwas zum Essen und Trinken bereitstellen und dann selber auch noch rechtzeitig aus dem Haus kommen. Es dauerte alles länger als gedacht, trotzdem habe ich es geschafft, um kurz vor 6 Uhr aus dem Haus zu gehen.
Die Zeit bis ich das Haus verlassen habe war so voll mit Tätigkeiten, daß ich gar nicht groß zum Nachdenken gekommen bin. Erst unterwegs hatten die Gedanken „freie Bahn“…..
In Mülheim angekommen war ich den Tränen nahe. Ich bat in der Küche, daß mich heute keiner irgendwie anspricht, weil ich nachher meine Mutter ins Hospiz bringe. Ich kann mich noch an die betroffenen Gesichter erinnern. Und es war gut, daß mich an dem Tag alle in Ruhe gelassen haben.
Um 8 Uhr ging es dann in den Unterrichtsraum – der zweite Tag des Social-Media-Kurses. Mit brechender Stimme und unter Tränen habe ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kurses mitgeteilt, daß ich an diesem Tag nur bis kurz nach 12 Uhr persönlich da sein würde, der Rest des Kurses werde im Rahmen von Gruppenarbeiten erfolgen, da ich am Nachmittag meine Mutter ins Hospiz bringen werde. Der Kurs reagierte sehr verständnisvoll, ich habe mich einmal umgedreht, die Tränen weggewischt, mich geräuspert und dann die rechtlichen Themen bearbeitet. Es war nicht einfach und es war sicher nicht der „beste“ meiner Kurstage, aber es hat funktioniert.

Kurz nach 12 Uhr habe ich mich dann auf den Rückweg gemacht, um rechtzeitig zurück zu sein, um meine Mutter zu begleiten. Alle Bahnen waren an diesem Tag pünktlich und ich kam so früh zuhause an, daß ich noch eine Stunde mit meiner Mutter zusammen hatte. Zeit, noch ein paar Dinge in ihren Koffer zu packen, ihr beim Umziehen zu helfen und auch Zeit für einen sehr persönlichen Abschied. Es war sehr berührend, als meine Mutter kurz vor dem Eintreffen des Krankenwagens zu mir sagte „Es war schön mit Dir!“. Wir haben uns umarmt und mir liefen (genauso wie heute beim Schreiben dieser Zeilen) die Tränen. Es ist dieser Satz, der mich seitdem durch alle schlimmen Zeiten wunderbar begleitet.

Um kurz nach drei Uhr kam der Krankenwagen für die Fahrt zum Hospiz. Mit Hilfe des netten Teams konnte meine Mutter das Haus ein letztes Mal auf ihren eigenen Beinen verlassen. Sie hat sich nicht umgedreht, ich habe darauf geachtet und irgendwie kann ich das gut verstehen.
Im Krankenwagen saßen wir uns gegenüber. Es war meine erste Fahrt mit einem Krankenwagen und das Neue dieser Umgebung half mir, nicht in Tränen auszubrechen, sondern mich neugierig umzusehen und – soweit möglich – den Fahrtweg zu verfolgen. Bald schon kamen wir im Hospiz an und meine Mutter bezog ihr Zimmer. Sie war verständlicherweise nach dem langen Tag sehr müde und wollte sofort ins Bett. Die Menschen im Hospiz haben sich sehr liebevoll um sie gekümmert, sie gewaschen und bettfertig gemacht, während ich den Koffer ausgepackt habe. Bald schon hat sie mich nach Hause geschickt – das war typisch für sie und in dem Bewußtsein, daß sie dort gut aufgehoben ist, bin ich alleine nach Hause zurückgekehrt.

Es war ein schwerer aber auch ein guter Tag – vor allem, weil ich es geschafft habe, sie ohne Tränen auf diesem letzten Weg zu Lebzeiten zu begleiten. Und ja, ich denke gerne an diesen Tag und an diesen einen besonderen Satz „Es war schön mit Dir!“ zurück.

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