Der Adventssonntag im Hospiz

Als ich vor einem Jahr am Sonntagmorgen aus dem Fenster herausschaute, fing es gerade an zu schneien. Das war wunderbar, denn meine Mutter liebte Schnee im Winter sehr (ich übrigens auch). Es war ihr Traum, noch einmal Schnee zu schippen. Das kam jetzt natürlich nicht mehr in Frage – aber so würde sie zumindest noch einmal Schnee sehen. Ich packte also meine Sachen zusammen (CD-Player, CDs, Mittagessen für mich, etwas Gebäck für den Nachmittag, das Adventsgesteck) und machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Der Schnee hatte allerdings auch zur Folge, daß erst einmal kein Bus fuhr (bei Schnee auf den Wuppertaler Höhen nicht ungewöhnlich) und so habe ich mir – ausnahmsweise – ein Taxi bestellt.

Im Hospiz lag meine Mutter mit einem großen und unbequem aussehenden Gummikissen im Bett. Das Gummikissen sollte ihr wohl das Liegen irgendwie erleichtern, richtig begeistert wirkte sie aber nicht. Den größten Teil des Tages schlief sie. Ich habe den CD-Player angeschlossen, ihre Lieblingsweihnachts-CDs eingelegt, mir einen Tee gemacht und dann wieder mit einem Buch an ihr Bett gesetzt. So habe ich viele Stunden verbracht. Gelegentlich bin ich ans Fenster getreten, habe nach draußen in den Schnee geschaut. Manchmal kamen auch Tränen, auch dann habe ich rausgeschaut.

Irgendwann am Nichmittag kam jemand vom Hospiz um zu fragen, ob meine Mutter das Adventssingen mitmachen oder hören möchte. Nein, sagte meine Mutter – sie habe heute schon so wunderbare Weihnachtsmusik gehabt. Es war schön zu wissen, daß sie im Schlaf die von ihr so geliebte Weihnachtsmusik wahrgenommen hat, daß sie das, was ich mitgebracht habe, bemerkt hat. Am Nachmittag war sie etwas wacher, da haben wir noch länger miteinander gesprochen. Es waren keine wichtigen Dinge mehr, alles wirklich Wichtige hatten wir irgendwie schon gesagt. Aber es war schön, mit ihr zu sprechen und mit ihr den Adventssonntag zu genießen.

An diesem Tag durfte ich relativ lange bleiben. Erst am Abend schickte sie mich fort.

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