6

Sechs Vorschläge für das neue Jahrtausend – zur Verteidigung der Literatur – wollte Italo Calvino in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts aufschreiben. Fünf sind fertig geworden – nämlich die Vorschläge der Leichtigkeit, Schnelligkeit, Genauigkeit, Anschaulichkeit und Vielschichtigkeit. Den sechsten Vorschlag – den der Konsistenz oder Haltbarkeit – wollte er in Harvard schreiben, leider kam ihm der Tod zuvor. Den Gedanken, dass es sechs für literarische Werke bedeutende Werte gibt, die uns in diesem Jahrtausend begleiten könnten (oder sollten) finde ich jedoch spannend.

Nur fünf von sechs. Eine Geschichte mit diesem Ausgang erzählt auch Jorge Bucay in seinem Buch Das Buch der Trauer. Es ist die Geschichte von sechs Bergleuten, die irgendwo in Afrika in einem Bergwerk verschüttet wurden. Innerhalb einer bestimmten Zeit könnten sie gerettet werden. Sie haben Angst. Und nur einer von ihnen hat eine Uhr….. Die Geschichte kann man in der Leseprobe zu diesem Buch (die ich nur bei Amazon gefunden habe) nachlesen – sie ist auf den Seite 20 und 21. Sie ist traurig, aber halt auch schön.

Die Geschichte von Bucay paßt natürlich zu dem Aspekt, dass ein Würfel sechs Seiten hat. Man kann Glück haben, wenn man würfelt oder halt auch nicht.

Das Schicksal meint es auch nicht immer gut mit den Königskindern. So geht es auch der Königstochter und ihren sechs Brüdern, die von der bösen Stiefmutter in Schwäne verwandelt werden. Jeden Abend genau 15 Minuten lang können die Schwäne ihre tierische Gestalt ablegen und reden. Dieser Zeitraum reicht, um ihre Schwester zu informieren, wie sie ihre Brüder retten kann. Sechs Jahre lang nicht sprechen, nicht lachen und in dieser Zeit sechs Hemdchen aus Sternenblumen nähen. Die Schwester nimmt diese Aufgabe auf sich und sie ist ziemlich erfolgreich, nur am letzten Hemd ist der linke Ärmel nicht ganz fertig geworden…… Aber es reicht, um ihre Brüder und auch sich selbst zu retten!

Von den Hemdchen zu den Hüten, nämlich zu den sechs Denkhüten von De Bono. Es ist eine schöne Methode, um sich – ohne vorschnelle Bewertung oder gar Abwertung – Ideen oder Projekte anzuschauen. Gerade das Fokussieren auf einen bestimmten Hut hilft oft, die Chancen und Risiken einer Idee oder eines Projektes besser einschätzen zu können. Besonders schön ist das natürlich, wenn man tatsächlich mit sechs bunten Hüten arbeitet ….

Und zu den Hüten passt natürlich auch die besondere Kopfbedeckung der „heiligen drei Könige“, die heute ihren Tag haben. Erst trugen sie, weil sie aus dem Osten kamen, sogenannte „phrygische Mützen“ – später wurden aus den Mützen dann goldene Kopfbedeckungen …..

Ich wünsche Euch und Ihnen jetzt einen bunten und gut behüteten Abend mit schönen Gedanken!

5

Die „5“ – hoffentlich ist sie jetzt nicht das fünfte Rad am Wagen, eine durchaus unangenehme Rolle. Aber trotz dieser unschönen Verbindung bringt die „5“ doch sehr viel Heiterkeit und Leichtigkeit mit sich. Warum? Weil jeder Limerick (das gereimte scherzhafte Gedicht) aus genau fünf Zeilen besteht – 5 Zeilen also als Höchstform dichterischer Heiterkeit! Wer ein paar Kostenproben genießen möchte, hier findet man Limericks aus dem „A Book of Nonsense“ von Edward Lear.

Heiter klingt auch das Forellenquintett von Schubert – eine wunderschöne Musik, die ich immer wieder gerne höre!

Das Stichwort „hören“ führt mich zu einem weiteren Bereich – unseren Sinnen. Nach Aristoteles haben wir fünf Sinne – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten. Weiter zu einem dieser Sinne, denn die 5 steht auch für einen sehr berühmten Duft – den Klassiker Chanel Nr. 5, der witzigerweise am 05.05.1921 auf den Markt gekommen ist (sehr passend, oder?).

Ein himmlischer Duft? Jedenfalls passend zum Thema „Himmelsrichtungen“. Nein, ich habe mich nicht vertan. Wie gestern schon erwähnt, ist die „4“ im asiatischen Kulturraum eine Unglückszahl. In der chinesischen Kultur gibt es daher fünf Himmelsrichtungen – die vier, die wir auch kennen und dann die fünfte, die Mitte oder das Zentrum, die im Prinzip senkrecht nach oben geht. Ein schöner Gedanke, oder?

Schön ist aber auch die Herkunft der Redewendung jemandem ein X für ein U vormachen. Was das mit der fünf zu tun hat? Eigentlich ganz einfach (wenn man es weiß beziehungsweise nachgelesen hat). Früher hat man für Zahlen oft noch die römischen Zahlzeichen verwendet. Das X stand für die 10, das V (das bei den Buchstaben gleichzeitig unser „v“ und unser „u“ war) für die 5. Wenn man die Striche des „V“ verlängert, dann wird aus dem V plötzlich ein X. Wenn es um Schulden geht, dann schuldet man mit dieser Verlängerung plötzlich das Doppelte. Dumm gelaufen, oder? Und deswegen gibt es diese (schöne) Redewendung!
Nach dieser Geschichte ist es nicht mehr überraschend, dass die Bibel fünf törichte und fünf kluge Jungfrauen kennt, oder? Aber das paßt natürlich auch zu einer anderen Zahl, daher an dieser Stelle nichts mehr dazu.

Ich wünsche Euch/Ihnen einen sinnvollen und sinnenfreudigen Abend!

4

Bescheiden tritt sie auf, die „vier“. Es reicht ihr, „ausreichend“ zu sein und vielleicht fiel es mir deswegen zunächst ein bißchen schwer, schöne und interessante Assoziationen zu ihr zu sammeln.

Aber was passiert, wenn die Kraft nicht mehr reicht? Davon kann ein Esel aus dem Bremer Umland ein Lied singen. Als seine Kraft nachließ, wollte ihn sein Eigentümer loswerden. Kein schönes Schicksal und der Esel traf die kluge Entscheidung, lieber fortzulaufen. Eine zweite Karriere als Stadtmusikant in Bremen schwebte ihm vor. Unterwegs traf er drei Leidensgenossen, mit denen er sich anfreundete – einen Hund, eine Katze und einen Hahn. Musikalisch wären sie vielleicht nicht so wahnsinnig erfolgreich gewesen, aber gemeinsam schafften sie es, Räuber aus einem Haus zu vertreiben und bis heute spielen sie – sowohl in den Märchenbüchern als auch in Bremen – eine tierisch prominente Rolle.

Musikalisch herausragend sind natürlich die „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi. Überhaupt die vier Jahreszeiten – ich möchte keine Jahreszeit missen. Jede Jahreszeit hat ihre schönen Seiten und ich verbinde mit jeder Jahreszeit schöne Rituale oder Erinnerungen, auch wenn es manchmal einfacher ist, eine Jahreszeit mehr zu mögen, die gerade nicht ist…..

Mögen ist ein gutes Stichwort. Vor ein paar Tagen habe ich eine interessante weihnachtliche Geschichte gelesen. Ein wohlhabender verwitweter Vater ist über seine erwachsenen Kinder, die ihn nur sehr selten besuchen anscheinend ziemlich enttäuscht. Kurz vor Weihnachten erhalten die vier Kinder von ihm die Nachricht, dass er gestorben ist und bereits begraben wurde. Er fordert sie auf, am 24.12. in ihr Elternhaus zu kommen, um dort die Erbangelegenheiten zu regeln. Alle vier Kinder träumen für sich selbst von der großen Erbschaft. Aber am Weihnachtstag erwartet sie eine Überraschung. Sie müssen nämlich ein Spiel um die Erbschaft spielen ……. Und alle wollen gewinnen…..

Das Stichwort „Spiel“ führt mich zum Quartett – also dem Quartettspiel. Ich erinnere mich vor allem an das Spiel „Schwarzer Peter“ – auch wenn ich mich nach so vielen Jahrzehnten nicht einmal mehr an die Regeln dieses Spiels erinnern kann…… Aber viele Spiele (zum Beispiel „Mensch ärgere Dich nicht“) arbeiten mit der „vier“ – zum Beispiel mit vier Spielfiguren. Und Spielen ist natürlich eine wunderbare Beschäftigung!

Die abgebildete schwarze Katze erinnert mich aber auch daran, dass sehr viele Tiere vier Beine haben und sich damit unwahrscheinlich elegant bewegen! Ein wunderbares Bild der Ausgeglichenheit, das dem Begriff „ausreichend“ vom Beginn den negativen Hauch nimmt. Die vier steckt halt an vielen scheinbar unscheinbaren Stellen und gerade in dieser scheinbaren Unscheinbarkeit ist sie so wichtig. Was wäre eine Adventszeit ohne vier Adventssonntage und vier Kerzen? Ein Viereck ohne vier Ecken?

Und während für mich die vier durchaus positiv ist, gibt es Kulturkreise in denen sie – weil sie ähnlich wie das Wort für den Tod klingt – gemieden wird. Dafür gibt es sogar den (wiederum schönen) Begriff der „Tetraphobie“ mit dem ich Euch und Ihnen jetzt noch einen schönen, lebendigen und fröhlichen Abend mit der „4“ wünsche.

3

Es folgt die „3“. Für mich zunächst einmal eine kleine Erinnerung an meine Kindheit – Kleinfamilie mit Mutter und Vater und meine Dreiradrunden im kleinen Wohnzimmer (meine Mutter hatte immer etwas Angst um ihre Möbel, weil ich immer sehr spät und abrupt „gebremst“ habe). Ein paar Jahre später die Begegnung mit den „drei Fragezeichen“ von Alfred Hitchcock, die ich allerdings nur noch dunkel in Erinnerung habe. Fragezeichen mag ich immer noch – allerdings müssen es nicht drei hintereinander sein.

Meine Lieblingsdreiergruppe sind die drei Hexen aus Macbeth – in der Schule „entdeckt“, liebe ich sie auch heute immer noch. Ihr Spruch „When shall we three meet again? In thunder, lightning or in rain?“ begleitet mich seit der Schulzeit wie wohl kaum ein anderer Text. Schön ist ja, dass die Hexen sich in dem, was sie tun (oder nicht tun) sehr einig sind. Denn ab drei Pesonen bilden Menschen eine Gruppe. Da fängt es dann an mit der „Gruppendynamik“……. Ob die heiligen drei Könige (die ja erst in ein paar Tagen zu dritt „auftauchen“) immer einig waren?

Jeweils einzeln – aber doch insgesamt zu dritt – tauchen auch die drei Geister in Charles Dickens „A Christmas Carol“ (deutschsprachige Version hier) auf. Auch das eine Geschichte, die ich immer wieder gerne lese. Sozusagen mein persönlicher Weihnachtsbuchklassiker.

Ein heiterer Abschluß dieses Abends? Dann werfe ich noch „Three men in a boat“ von Jerome K. Jerome in den Ring (deutsch Drei Mann in einem Boot).

Aller guten Dinge sind drei? Mit diesem Beitrag sind es drei Beiträge – ob sie gut sind, wer weiß ……

2

Aus 1 wird 2.

Der menschliche Körper hat zwei Arme, zwei Hände, zwei Beine, zwei Füße, zwei Augen und zwei Ohren. Damit läßt sich schon viel machen.

Aber für manches braucht der eine Mensch dann doch einen anderen Menschen. Martin Buber sprach von „Ich und Du“ und der Beziehung zwischen den (beiden) Menschen als Grundlage. Jorge Bucay spricht in seinem Buch „Das Buch der Trauer“ von vier Wegen, die wir im Leben gehen. Der erste Weg ist der Weg der Verantwortlichkeit für das eigene Leben (also für das „Ich“), der zweite Weg ist der Weg der Entdeckung des anderen. Er nennt diesen Weg (der auch Liebe und Sexualität umfaßt) den Weg der Begegnung.
Die schönste Begegnung dieser Art ist für mich die Begegnung von Trüffel und Rosalie.

Manchmal geht es auch „nur“ um das (gute) Gespräch, den Dialog. Zum guten Gespräch gehört allerdings auch das gute Zuhören (mit den zwei Ohren). Wenn beide sprechen (wollen) und keiner von beiden zuhört, dann kommt kein gutes Gespräch zustande, meistens nicht einmal ein Gespräch. Das ist nicht unbedingt schlimm. Aber manchmal wird aus dem Nicht-Dialog etwas anderes, die Ablehnung des anderen oder gar „Feindschaft“. Dieses deutliche Nichtmögen und die daraus erwachsende Folge erinnert mich an das Duell im „Zauberberg“ von Thomas Mann.

Die „2“ vereint also Liebe und Hass, Sympathie und Antipathie und viele andere Gegensätze – Tag und Nacht, schwarz und weiß, hell und dunkel, gut und böse. Wer dächte bei diesem Begriffspaar nicht auch sofort an „Jekyll und Hyde“ von Robert Louis Stevenson.
Ich hätte noch viele Stichworte für diese Zahl, aber zuviel ist auch nicht gut, daher möchte ich mit einem Link auf das wunderbare Gedicht „Dunkel war’s, der Mond schien helle“ aufhören und Euch/Ihnen einen schönen Abend mit oder ohne Mondschein wünschen!

1

Da steht sie, die „eins“ und läutet meine „Assoziationen 2022“ ein. Eduardo Gaetano schreibt in seinem ersten Kapitel (in dem Buch „Los hijos de los dias“, deutsch „Kinder der Tage“), dass der erste Januar nur für einen Teil der Menschen der Jahresanfang ist. Es ist ein durch „Rom“ festgelegter Termin. Ja, spannend – dachte ich beim Lesen während meine Gedanken schon in völlig andere Richtungen davongaloppierten. Aber wie ist es denn mit der „eins“ an sich? Steht sie nicht für den Anfang? Und was ist eigentlich mit den anderen Zahlen…..

Aber erst einmal die „1“. Für mich ist heute der erste Tag des neuen Jahres. Das Jahr liegt vor mir – wie ein leeres Blatt oder wie die erste Seite eines noch nicht gelesenen Buches. Es ist (wie jedes Jahr) in einem gewissen Sinn ein Anfang – so wie dieser Blogbeitrag auch (nach längerer Blogpause) ein Anfang ist. Das Textfeld liegt vor mir. Die Sätze, die sich vorhin beim abendlichen Spaziergang noch so schnell formten, verlieren sich vor dem leeren Feld. Ich schwanke zwischen Hesses Gedichtzeile „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ und dem wohl Laotse zugeschriebenen Spruch, dass eine Reise von tausend Meilen mit einem Schritt (also dem ersten Schritt!) beginnt. Der erste Tag des Lebens, der erste Tag des Jahres, der erste Tag des Monats, der erste Tag einer neuen Tätigkeit – Anfänge, immer wieder Anfänge.

Auf der anderen Seite steht die „1“ oft für das Herausragende. Der/die Erste sein, der Gewinner/die Gewinnerin, sozusagen die Goldmedaille. Und ohne Anfang keine Meisterschaft. Es ist erstaunlich, dass die „1“ so gleichzeitig den Beginn und den Mut, der zum Beginnen gehört, charakterisiert als auch den ultimativen Erfolg, den die meisten Menschen zumindest objektiv nicht erreichen. Aber subjektiv?

Es gibt viele Begriffe, die wir nur in der Einzahl („Ein“-Zahl) verwenden oder die zumindest ihren Sinn/Inhalt verändern, wenn wir sie nicht in der Einzahl einsetzen. Mir sind spontan beim Abendspaziergang Begriffe wie Dankbarkeit, Zuhause, Dach über dem Kopf, Liebe, Seele eingefallen, aber auch Armut, Einsamkeit, Mutlosigkeit. Und es gibt Dinge, die wir nur einmal „erleben“ können – unsere eigene Geburt und unseren Tod.

Ja, und dann habe ich mich noch gefragt, welches Buch/welche Geschichte für mich die Zahl „1“ irgendwie beinhaltet? Ich habe einerseits sofort an das Buch (das ich noch lesen muß) „Jeder stirbt für sich allein“ von Hans Fallada gedacht. Aber dann schob sich „Pawlowa“ dazwischen – die Eselin, die in dem Buch von Brian Sewell die absolute Hauptrolle spielt. Es ist dieser eine Esel, der eine Reise und auch ein Leben verändert.

Damit wünsche ich Euch/Ihnen einen wunderbaren Start in das neue Jahr – mögen sich die leeren Blätter dieses Jahres mit lauter schönen, interessanten und spannenden Geschichten füllen und am Ende ein Lesegenuß sein.

Assoziationen 2022

Heute bin ich beim flüchtigen Twitterscrollen über einen Tweet gestolpert (konkreter über den Retweet eines Tweets), der mich auf die eine oder andere Weise den ganzen Tag beschäftigt hat. Positiv beschäftigt hat, denn er hat bei mir ganz viele Gedanken und Assoziationen ausgelöst. Der Tweet zeigte das erste Kapitel eines Buches – eines besonderen Buches. Eduardo Galeano hat in dem Buch „Los hijos de los dias“ ein Buch mit 365 Kapiteln geschrieben – jedes Kapitel erzählt etwas über den jeweiligen Tag in irgendeinem Jahr – also etwas über den 1. Januar, der für uns „hier“ der Jahresanfang ist – aber eben nicht für alle Menschen auf der Welt, etwas über den 2. Januar und zwar konkret über den 2. Januar 1492 in Granada und so weiter. Ein sehr spannender Ansatz und ich werde mir das Buch sicher besorgen. Das erste Kapitel löste in mir allerdings einen völlig anderen Gedanken aus. Nämlich über die Zahl an sich und das, was wir mit ihr (sprachlich, gedanklich, kulturell, in Geschichten oder Büchern….) verbinden, nachzudenken und darüber – zumindest gelegentlich – etwas zu schreiben. Bei einer kurzen Suche habe ich schon viele spannende „Dinge“ gefunden, mal sehen wie weit ich komme. Deshalb lade ich Euch/Sie jetzt ein, mir in diesem Jahr bei meinen Assoziationen 2022 zu folgen!

Alles Gute für das neue Jahr!