100

Die 100.
100 Beiträge, 100 Tage.

Das erinnert mich an die 100-Tage-Frist, also die „ungeschriebene“ Regel, dass man einer neuen Regierung 100 Tage gibt, um sich einzuarbeiten und erste Maßnahmen zu ergreifen. Eingeführt hat diese „Regel“ als Schonfrist übrigens Franklin D. Roosevelt, allerdings gab es schon vorher die 100-Tage-Frist mit einer anderen Bedeutung.

Wird etwas nach 100 Tagen zum Alltag? Oder schon eher? Die Frage ist gar nicht so uninteressant, denn es gibt ein Buch mit 100 Aufgaben für 30-Tages-Challenges. Einerseits kein schlechter Ansatz, andererseits reichen dreißig Tage, um etwas zu verändern? Reichen überhaupt 100 Tage?

Oder sollte man das, was einen glücklich macht, in 100 Listen festhalten? Ja, auch dafür gibt es ein Buch. Ich finde es durchaus wichtig und sinnvoll, sich immer mal wieder (zum Beispiel am Abend vor dem Einschlafen) zu überlegen, was an einem Tag gut war. Aber Listen dazu führen? Nicht wirklich – also zumindest nicht für mich.

Wie wäre es mit dem Buch 100 Jahre Einsamkeit von Gabriel Garcia Marquez? Ich habe das Buch noch nicht gelesen (obwohl der Titel sehr gut paßt), inhaltlich bin ich mir nicht sicher, ob es wirklich um Einsamkeit geht. Ich werde das also irgendwann überprüfen müssen. Irgendwann.

Viel spannender finde ich die 100 Geschichten des Dekamerone (die ich natürlich auch noch nicht ganz gelesen habe…..). 10 Menschen, die vor der Pest aus Florenz geflohen sind und nun 10 Tage lang jede(r) jeweils eine Geschichte erzählen. Eine wunderschöne Idee!

Auch die Göttliche Komödie von Dante spielt mit dieser Zahl – 3 Bücher zu jeweils 33 Gesängen und ein einführender Gesang – insgesamt 100. Deshalb gab es auch das Projekt 100 days of Dante, das in wenigen Tagen enden wird (ich habe es zeitlich nicht geschafft, in dem Umfang mitzulesen…..).

Übrigens hat auch der (schiefe) Turm von Pisa etwas mit der 100 zu tun…. Zu der Zeit als der Turm in Pisa geplant wurde, maß man noch nicht in Metern, sondern in Armen. Die Höhe des Turmes beträgt 100 pisanische Arme.

Zum Abschluß noch eine wichtige Frage zur Allgemeinbildung: wieviele Schlümpfe gibt es eigentlich? Mindestens 100, denn es gab einen Band/eine Folge mit dem Namen Der 100. Schlumpf. Aber sind es wirklich nur 100? Da sind sich die Expertinnen und Experten nicht einig….

Damit wünsche ich Euch und Ihnen einen farbenfrohen Abend.

99

Die 99.
Was bei der 98 gestern zu wenig war, ist bei der 99 fast zu viel. Aber gut. Es ist, wie es ist und heute ist ohnehin ein besonderer Tag für mich (meine Mutter hätte heute Geburtstag).

Manche Menschen verbinden einen Geburtstag ja mit Luftballons – da ist es gut, dass es das Musikstück 99 Luftballons gibt (lange her…..).

Eine Leseliste zum Freirubbeln? Ja, so etwas gibt es – ich war auch sehr erstaunt. Nämlich das Rubbelposter 99 Bücher, die man gelesen haben muss – die Auswahl der dort auftauchenden Bücher finde ich gar nicht schlecht, ich habe tatsächlich einige davon gelesen. Was mir nicht ganz klar ist: was macht man mit so einem Rubbelposter? Kauft und liest man dann das entsprechende Buch? Oder stellt man einfach nur fest, ob man es kennt oder auch nicht?

Kafka ist auch auf dem Rubbelposter vertreten. Zu Kafka gibt es aber eine eigene 99 – nämlich 99 Fundstücke über Kafka. Es sind schöne kleine Geschichten, die den Menschen Franz Kafka näherbringen. Ein wunderbarer Fund!

Friedrich III. war 1888 für die Dauer von 99 Tagen deutscher Kaiser. Schon als er den Thron bestieg war er schwer krank.

Ob Friedrich III. glücklich war? Warum diese Frage wichtig ist? Es gibt die Geschichte vom Kreis der 99. Die Geschichte handelt von einem traurigen König und einem fröhlichen und glücklichen Diener. Der König wollte unbedingt herausfinden, warum der Diener glücklich war und die Weisen aus dem Palast halfen dem König, dies herauszufinden. Es ist eine schöne Geschichte, die man hier auch hören kann. Ich habe die Geschichte übrigens bei Jorge Bucay gefunden (eine wahre Fundgrube für schöne Geschichten!).

Damit wünsche ich Euch und Ihnen einen fröhlichen und glücklichen Abend.

98

Die 98.
Es gibt auch irgendwie „sperrige“ Zahlen. Also Zahlen, die kaum interessante Aspekte liefern (oder bei denen ich zumindest kaum etwas finde). Die 98 ist für mich eine solche sperrige Zahl.

Was ich gefunden habe: Windows 98. Ja, hat (fast) jeder schon einmal gehört, gelesen oder genutzt. Aber es ist jetzt nicht unbedingt ein Highlight für einen solchen Beitrag. Oder?
Dazu gab es natürlich auch viele viele Bücher für (mehr oder weniger) genervte oder verzweifelte Nutzerinnen und Nutzer. Eines davon habe ich hier gefunden.

Es gibt einen Künstler beziehungsweise eine Band unter der Bezeichnung 98 Degrees – wer reinhören mag…..

Wirklich lustig ist eigentlich dieser Fund – auch hier musikalisch, denn 98% ist die Aufklärungsquote der Kommissarin Greta Müller und diese Quote wird natürlich auch besungen und zwar hier.

Damit wünsche ich Euch und Ihnen einen humorvollen Abend mit viel Grund zum Lachen und Scherzen.

97

Die 97.
Erst einmal nur eine leere Zeile in meinem Dokument mit den gesammelten Hinweisen und Links.
Nichts, gar nichts.
Also: systematische Suche.

Es gibt einen Film namens 97 minutes. Ein Flugzeug wurde entführt und würde in 97 Minuten wegen Kerosinmangel abstürzen. Was tun? Ich mag dieses Filmgenre ohnehin nicht wirklich, aber in der aktuellen Zeit kann ich mir noch weniger vorstellen, diesen Film zu schauen.

Spannend finde ich die Zusammenstellung der 97 Dinge, die jeder Programmierer wissen sollte. Nein, ich bin nicht angesprochen – aber die Idee hat wirklich Charme! Vor allem die Tatsache, dass die einzelnen Hinweise relativ kurz gehalten sind, finde ich sehr interessant. Da werde ich sicher noch in Ruhe reinschauen…..

Übrigens gibt es auch 97 Wege, wie man einen (kleinen) Drachen unterrichten kann……

Wirklich faszinierend finde ich allerdings das Buch 97 Orchard: An Edible History of Five Immigrant Families in One New York Tenement. Im Gebäude 97 Orchard in New York haben in der Zeit von 1863 bis 1935 fünf eingewanderte Familien gewohnt. Das Buch erzählt ihre Geschichten – vor allem aber ihre kulinarische(n) Geschichte(n), sogar mit Rezepten. Es ist eine sehr interessante Perspektive – sowohl kulinarisch als auch zeitgeschichtlich.

Damit wünsche ich Euch und Ihnen einen gut duftenden und wohlschmeckenden Abend.

96

Die 96.
Ein kleines Sammelsurium.

Es gibt wohl 96 Instituts Francais auf der Welt. Im Kölner Institut habe ich vor vielen fast jede Woche ziemlich viel Zeit mit der französischen Sprache verbracht.

Die 96 steht aber auch für einen historischen Ort in South Carolina. Sicherlich ein spannender Ort, den ich persönlich nicht kenne (ich habe es von Washington D.C. aus in südlicher Richtung nur bis Colonial Williamsburg geschafft …….).

Die 96 als Spiel Road 96, in dem man versucht aus einem (fiktiven) Land zu fliehen? Ich finde den Gedanken eines solchen Spiels grunsätzlich gar nicht schlecht, allerdings könnte ich mir im Moment nicht vorstellen ein solches Spiel auszuprobieren – zu nah (sowohl bildlich als auch geographisch nah) ist mir im Moment das Thema Flucht.

Keine Flucht, kein Spiel – aber doch die 96. Das Buch 96 Miles erzählt die Geschichte von zwei Brüdern, die in einer nahezu ausweglosen Situation 96 Meilen laufen müssen, um Hilfe zu finden. Bestimmt eine spannende Geschichte, aber nichts, was ich im Moment gerne lesen würde.

Lieber zu einem Klassentreffen gehen und sich an die Vergangenheit erinnern? Das ist das Thema des Films 96. Der Trailer ist (zum Ansehen, nicht zum Verstehen….) nicht uninteressant. Aber die Teilnahme an Klassentreffen kann ich mir so gar nicht mehr vorstellen……

Zum Abschluß noch die Klänge von Dvoraks „The American“ – Opus 96. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang übrigens die Frage, ob beziehungsweise was an diesem Stück „amerikanisch“ ist. Ich hatte mir tatsächlich die Frage gestellt, warum das Stück so heißt und schnell einen Fachartikel dazu gefunden (den ich allerdings noch nicht gelesen, aber immerhin abgespeichert habe).

Damit wünsche ich Euch und Ihnen einen harmonischen und sorgenfreien Abend.

95

Die 95.
Martin Luther ist schuld.
Wirklich.
Also zumindest hat er angefangen.
Also mit der 95. Damals als er die 95 Thesen angeschlagen hat.
Dabei war es erst einmal gar nicht so spannend, dass er die Thesen an der Kirchentür angeschlagen hat. Das war so etwas wie das schwarze Brett der Universität, eine „Veröffentlichung“ dort also nicht mehr als ein Blogbeitrag heute (so ähnlich steht es zumindest in dem Buch Die Marke Luther von Andrew Pettegree im dritten Kapitel). Der Inhalt hatte jedoch weitreichende Folgen.
Vor allem: es ist immer noch cool, Listen mit 95 Punkten zu erstellen.

In Coswig, einem Ort ganz in der Nähe von Wittenberg, gibt es die 95 Themen auf dem Weg zu Luther. Im Sommer 2018 war ich tatsächlich kurz in Coswig und habe mir ein paar dieser Stationen angeschaut. Die Idee finde ich – gerade aufgrund der räumlichen Nähe zu Wittenberg – schön und durchaus kreativ (wobei einige Links nicht mehr funktionieren), eine schöne Zusammenfassung der Aktion findet man hier.

Auch das Cluetrain-Manifest hat 95 Thesen. Die erste These „Märkte sind Gespräche“ haben sicherlich sehr viele Menschen schon einmal gehört oder gelesen. Wie aber sieht es mit den anderen Thesen aus? Und inwieweit sind sie wichtig und relevant? Spannende Frage, oder?

Aber mindestens ebenso spannend und gerade aktuell sehr bedeutend ist die Frage, wie man Europa retten kann. Dazu gibt es ein Buch mit 95 Thesen, die ich in der Leseprobe überflogen habe. Viele der dort aufgeführten Punkte finde ich auch wichtig – gerade auch jetzt, auch wenn das Buch die Situation seit Ende Februar 2022 natürlich nicht einbeziehen konnte. Ich bin gespannt, wie Europa und EU kurz- und langfristig mit der aktuellen schwierigen Situation umgehen.

In diesem Sinne wünsche ich Euch und Ihnen einen Abend mit guten Gedanken und positiven Überraschungen.

94

Die 94.
Für die Einreise in die USA gibt es das Formular I – 94. Früher mußte man es im Flugzeug ausfüllen, heute wird es in vielen Fällen schon automatisiert und online zur Verfügung gestellt.

Was mich ein bißchen wehmütig (und fast neidisch) macht – 94% der Pariser leben nur fünf Minuten zu Fuß von einer Bäckerei entfernt. Vor allem wird es vermutlich eine ziemlich gute Bäckerei sein. In Gedanken sehe ich jetzt Croissants, Baguettes und Eclairs vor mir……

Von Paris nach Berlin und dort zur Torstraße 94. Andreas Ulrich hat ein Buch über das Haus in der Torstraße 94 geschrieben. Eine Konditorei gab es in diesem Haus, aber wohl auch einen Parteisekretär und einen Bankräuber. Ich finde den Gedanken, die Geschichten eines konkreten Hauses über einen längeren Zeitraum zu erzählen sehr spannend. Das mochte ich schon an dem Buch von Pascale Hugues – Ruhige Straße in guter Wohnlage sehr (französisch La robe de Hannah). Im Buch Torstraße 94 ist es anscheinend eine andere „Zusammensetzung“, die Zeit und die Herangehensweise sind anders, aber der Gedanke spricht mich an.

Mit Klängen aus der Sonate für Flöte und Klavier – Opus 94 – von Prokofiev beende ich den heutigen Beitrag.

Damit wünsche ich Euch und Ihnen einen gut (aus-)klingenden Abend.

93

Die 93.
Ein Krimi aus Frankreich, der von einem „echten“ Polizisten geschrieben wurde? Das ist Code 93 von Olivier Norek.

Wieviele gesellschaftliche Probleme haben mit ungleichen Bildungschancen zu tun? Eine spannende Frage. In Großbritannien greift der 93 percent Club dieses Thema auf. Denn 93% der Menschen gehen dort auf staatliche Schulen, aber nur wenige (in der Regel weniger als 50%) kommen in großen Unternehmen in die Geschäftsführung oder übernehmen höhere politische Ämter oder rechtliche Aufgaben. In Deutschland hat Ungleichheit sicher andere Ursachen, aber die Art dieses Thema aufzugreifen, finde ich interessant.

Gesellschaftliche Mobilität ist natürlich positiv. Gesellschaftliche Ansteckung eher nicht (wir hatten das ja gerade …..). Aber um dieses Thema geht es in dem Film 93 days – was passiert, wenn eine sehr ansteckende Krankheit in eine große Großstadt kommt? Der Film ist übrigens von 2016….. Eine Geschichte, in der es stark um Angst geht – verständlicherweise.

Eine Geschichte des Muts ist die des Flugs United Airlines 93 – die Passagiere dieses Fluges haben am 11.09.2001 eine weitere Katastrophe verhindert. Damit haben diese Menschen den Ausgang dieses Tages verändert.

Veränderung (aber sicher in einem weniger dramatischen Sinn) ist auch Gegenstand des Buches 93 Ideen von Speakern, die dich und die Welt verändern. Ob sich das lohnt? Keine Ahnung. Manchmal denke ich, dass es oft gerade die unbekannten und scheinbar „unwichtigen“ Menschen sind, die etwas positiv verändern können.

Damit wünsche ich Euch und Ihnen einen wunderbaren Abend mit viel Licht und Wärme.

R: „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ von Franz Werfel

Die zweite Märzaufgabe der Booklover-Challenge war „Lies ein Buch, bei dem es um einen Kampf geht“.
Eher zufällig habe ich im Februar ein Buch gefunden, in dem es tatsächlich um einen Kampf ging und das für diese Aufgabe perfekt paßte. Ich habe es vor einigen Tagen schon zuende gelesen. Fast jeden Tag ein paar Seiten, weil es manchmal gar nicht möglich war, so viel auf einmal zu lesen.

Franz Werfel ist Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts mit seiner Frau Alma Mahler in den Nahen Osten gereist. Auf dieser Reise (wohl in Syrien) begegneten ihm Überlebende des Völkermords und wohl auch der Geschehnisse auf dem Musa Dagh. Er erfuhr dadurch von der Verfolgung der Armenier und eben auch von der Geschichte der Ereignisse auf dem Musa Dagh (die in Wahrheit nicht 40 sondern 53 Tage dauerte). Zurück in Wien ließ er sich die Akten aus dieser Zeit kommen, recherchierte umfangreich und schrieb dann den Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“. Der Roman erschien 1933, wurde jedoch schon im Februar 1934 in Deutschland verboten, in der Türkei im Januar 1935.

Handlung: Der Armenier Gabriel Bagradian lebt schon länger in Frankreich. Er hat dort studiert und eine französische Frau geheiratet, gemeinsam haben sie einen Sohn – Stephan. Mit seinem armenischen Heimatort Yogonoluk verbindet ihn erst einmal wenig. Als sein älterer Bruder stirbt, reist er mit seiner Familie dennoch nach Hause. Es ist eine unruhige Zeit. Während Bagradian und seine Familie sich vor Ort ein bißchen einleben, wird die Situation langsam „brenzlig“, gleichzeitig bemüht sich der Protestant Johannes Lepsius (den es wirklich gab!) in Istanbul politisch um die Rettung der Armenier. Zu dieser Zeit geschehen allerdings schon zwei Dinge – die Verschleppung der intellektuellen Armenier aus Istanbul und die Vertreibung der armenischen Menschen aus der Stadt Zeitun. Einer der Vertriebenen kommt mit seiner Familie nach Yogonoluk zurück, wo er geboren wurde und sein Vater noch lebt. Er ist damit nicht in Sicherheit, denn auch hier droht die Vertreibung. Gabriel Bagradian, der militärische Erfahrungen in der osmanischen Armee gesammelt hat, entwirft jedoch einen Plan. Die circa 4500 armenischen Einwohner ziehen auf den Berg Musa Dagh und versuchen, dort zu überleben. Gemeinsam mit einigen anderen wichtigen Menschen aus den Dörfern organisiert Bagradian das Leben auf dem Berg und die Verteidigung. Nach 40 langen und auch harten Tagen werden sie von französischen Schiffen gerettet.

Es war kein leichtes Buch und kein vergnügtes Lesen. Aber ich habe das Buch mit großer Begeisterung und Anteilnahme gelesen. Die Tatsache, dass diese Geschichte – wenn auch nicht mit den konkreten Personen – tatsächlich passiert ist, hat mein Interesse an dem Buch sicher stark beeinflußt. An manchen Stellen habe ich das Buch, weil es zu traurig und natürlich in einem gewissen Sinne hoffnungslos war, auch mal zur Seite gelegt, an manchen Stellen ein anderes (fröhlicheres) Buch genommen, aber ich habe immer aus eigenem Antrieb weitergelesen. Weil ich es so wichtig fand dieses Buch zu lesen und weil ich soviele der Gedanken, der Gespräche und auch der Schwierigkeiten nachvollziehen konnte. Was ich vor allem sehr interessant fand – die Schilderung der Prozesse in der Gesellschaft auf dem Berg. Also die Art der Kommunikation, aber auch der Umgang mit dem Thema Solidarität (oder eben fehlender Solidarität), die Schwächung aller durch die Schwächen und Angriffe einzelner Menschen. Einfach die ganzen alltäglichen Schwierigkeiten, wenn man zig Menschen zu ihrem eigenen Vorteil und Überleben irgendwie unter einen Hut bekommen muß. Die Schilderung der Schwächen ist manchmal schonungslos, auch bei den Hauptpersonen. Aber gerade das machte für mich das Lesen noch einmal besonders wertvoll.

Ein Buch, in dem es um einen Kampf und um das Überleben geht, ist nie wirklich einfach zu lesen. Was es mir tatsächlich leichter gemacht hat war das Gefühl, dass es hier um einen „guten“ Kampf ging, darum dass die armenischen Menschen aus den Dörfern nicht sterben. Gleichzeitig fand ich es faszinierend, dass es diese Geschichte mit einem „guten Ende“ (also gut im Sinne von Überleben) tatsächlich gab. Spannend fand ich es auch, in dem Zusammenhang mehr über die konkrete Geschichte und auch über die einzelnen Personen zu lesen. Das werde ich hoffentlich noch in Ruhe vertiefen können.

Links zum Hintergrund:
Die vierzig Tage des Musa Dagh
Johannes Lepsius
Moses Der Kalousdian
Vortrag zur Entstehung des Romans
https://www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/genozid-an-den-armeniern/218058/aghet-der-voelkermord-an-den-armeniern/
https://www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/genozid-an-den-armeniern/224092/der-voelkermord-an-den-armeniern-1915-16-in-deutschen-akten/
https://www.deutschlandfunk.de/massenmord-an-tuerkischen-armeniern-1915-keine-100.html
https://taz.de/Voelkermord-an-den-Armeniern/!5122291/
– Projekt Houshamadyan

R: „Früchte des Zorns“ von John Steinbeck

Ich habe das Buch nur wegen des Buchclubs gelesen!
Was ich vor kurzem in einem Theaterstück des Pan Pan Theater beim FFT Düsseldorf gehört habe, stimmt definitiv für dieses Buch.
Früchte des Zorns war das Buch, das ich gemeinsam mit vielen anderen von Januar bis März im Buchclub des Staatstheaters Augsburg gelesen habe. Kurz zuvor habe ich die deutschsprachige Hardcover-Ausgabe dieses Buches zufällig in einem Regal entdeckt – vermutlich irgendwann von meinem Vater gekauft. Damit erfüllt das Buch gleichzeitig zwei Kriterien: das gemeinsame Lesen für den Buchclub und die März-Aufgabe der Booklover-Challenge „Lies ein Hardcover“.

Ganz ehrlich: ohne den Buchclub hätte ich das Buch nicht gelesen (und schon gar nicht zuende gelesen). Als der Buchclub aufhörte fehlten mir noch circa 50 Seiten, diese 50 Seiten habe ich – immer mal zwischendurch – bis Ende März gelesen.

Die Handlung: in Oklahoma ist es Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts fürchterlich trocken. Die Dürre führt dazu, dass die Menschen auf ihrem Land (es sind größtenteils kleine Farmen) nicht mehr genug anbauen und ernten können, um zu überleben. Sie versuchen zunächst sich mit Bankkrediten über Wasser zu halten, aber da die Dürre anhält, verlieren sie ihr Land, ihre Häuser und letztlich auch ihre Heimat. Vor diesem Hintergrund begegnen wir Tom, dem Sohn der Familie Joad der im Gefängnis war, und nun auf die Farm seiner Familie zurückkehren will. Aber seine Familie ist nicht mehr da, das Häuschen steht auch nicht mehr. Er erfährt gerade noch rechtzeitig, wo sich seine Familie befindet und macht sich mit ihnen und einem Prediger, dem er unterwegs begegnet ist, auf den Weg nach Kalifornien, wo angeblich noch Arbeit zu finden ist. Der Weg nach Kalifornien ist weit, er ist hart, er ist mit Entbehrungen verbunden, aber alle hoffen noch. Doch – wie könnte es anders sein – die Hoffnung erfüllt sich nicht. Der Treck der Neuankommenden stößt bei den Alteingesessenen auf „wenig“ Begeisterung, Arbeit gibt es auch nicht genug für alle, die sich auf den Weg gemacht haben und die Bedingungen in den Lagern sind zum größten Teil schlecht. Auf diesem langen Weg nach Kalifornien und auch in Kalifornien verfolgt das Buch die Familie Joad.

Für mich war es ein schwieriges Buch. Es zog mich nicht in den Bann (weder positiv im Sinne von Begeisterung, noch negativ im Sinne von „es ist so beklemmend, ich muß es unbedingt weiterlesen“). Ich habe mich von Woche zu Woche mehr oder weniger durch die Kapitel gequält. Ja, es ist in mehrfacher Hinsicht ein sehr aktuelles und wichtiges Buch:
– die Frage, wie wir mit dem menschengemachten Klimawandel (z.B. mit Dürre) umgehen
– die Frage, wie wir mit flüchtenden Menschen umgehen. Interessanterweise hatten wir im Buchclub da zum Teil sehr unterschiedliche Assoziationen – während die meisten anderen im Buchclub an die Ankunft der Menschen aus zum Beispiel Syrien dachten, hatte ich tatsächlich an vielen Stellen beim Lesen die Ankunft von Menschen aus den „ehemals deutschen Gebieten“ nach dem zweiten Weltkrieg und auch aus der DDR „vor Augen“. Es war die Erinnerung an die vielen Berichte, die ich gehört und gelesen habe, dass auch diese flüchtenden Menschen im damaligen Westdeutschland oft nicht sehr willkommen waren, die im Moment des Lesens plötzlich sehr präsent waren.
– die Frage, wie wir mit Banken und großen Unternehmen (und deren Interessen, die humanitären Ansätzen oft anscheinend entgegenstehen) umgehen.

Zu einem großen Teil sind das Fragen, die in den letzten Wochen noch einmal viel aktueller geworden sind.

Wer sich für den Hintergrund interessiert:
– hier ein Link zu Fotos aus der damaligen Zeit
– hier ein Bericht über das Buch

So sehr ich also die wichtigen Themen sehe und auch durchaus darüber nachdenke, so wenig hat mich das konkrete Buch und die Sprache des Buches angesprochen. Ich und das Buch, wir sind uns fremd geblieben. Das ist vielleicht schade, aber es ist durchaus in Ordnung – ich muß nicht jedes Buch mögen!